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Konzert-Bericht
 
Rock against Musikimperialismus

Hellmut Hattler

Bonn, Harmonie
17.02.2003
Hellmut Hattler
Hellmut Hattler ist ja nun auch schon einige Jährchen im Geschäft. Trotzdem - so bemühte er sich gleich zu Anfang klarzustellen - erfüllt er immer noch keine Erwartungshaltungen. Und so machte es auch Sinn, dass er das Konzert in der erfreulich vollen Bonner Harmonie zunächst mal mit einer theoretischen Abhandlung zur aktuellen Musikszene eröffnete: "Mir kann es ja egal sein, weil ich ganz gut von meiner Arbeit leben kann", meinte er z.B. in Bezug auf die momentane Situation des allgemeinen Formatradios, "aber junge Bands, die heutzutage beginnen, können eigentlich gleich wieder aufhören. Ins Radio kommen die doch nicht. Wenn man dort so alle anderthalb Jahre vorspricht so wie ich, bekommt man zu hören: 'Wir machen keine Hits, Herr Hattler, wir spielen sie nur'. Und mit dem Argument wird dann die Musik so gestaltet, dass sie einem möglichst zu einem Ohr rein und zum anderen raus geblasen wird, dass möglichst zwischen den Werbeblöcken niemand mehr wegschaltet. Formatradio ist ein Soundtrack für die Werbeblöcke. Das ist Musikimperialismus pur." Das vorangestellt, gab es dann aber ein Hattler-typisches Konzert, das so ziemlich alle Bereiche kontemporärer Musik erfolgreich abdeckte, dabei dennoch eine eigene Note entwickelte, Spaß machte, alle Anwesenden (ob vor oder auf der Bühne) offensichtlich restlos zufrieden stellte und - Ironie des Schicksals - auch in weiten Bereichen dennoch für's Radio durchaus geeignet gewesen wäre.
Sandy Wollasch & Hellmut Hattler
Das galt natürlich nicht unbedingt für die spacigen bis nervösen Instrumental-Passagen, die Hellmut immer wieder gerne einfließen ließ - mal solo, wie z.B. am Anfang, und mal im Duett mit Trompeter Sebastian Studnitzky - und die immer noch zu Hellmuts liebsten Hobbies zählen (und somit einen guten Teil seines Charismas als Performer ausmachen) - aber für alles Andere. Hellmut hat einen Weg gefunden, seine alten Fans aus Kraan-Zeiten bei der Stange zu halten, neue und junge hinzuzugewinnen (mit seinem Tab-Two Projekt oder aber mit der tollen aktuellen Besetzung), sich selbst treu zu bleiben und sich dennoch den aktuellen Strömungen und Einflüssen zu öffnen. Dieser Idealzustand spiegelt sich sowohl auf Hellmuts aktuellen Scheiben wieder - wo grundsätzlich nichts unmöglich scheint - wie auch im Live-Kontext, wo dann zuweilen alles ganz anders (aber keinesfalls schlechter) klingt. Das liegt zum einen an der unbändigen, aber dennoch kontrollierten Energie, die die Musiker verströmen, und zum anderen daran, dass Hellmut gar nicht erst den Versuch macht, die komplexen Arrangements der Scheiben 1:1 umzusetzen. Beim Live-Spiel zählt - trotz geschickt plazierter Samples und Loops - vor allen Dingen die Interaktion zwischen Hellmut, seinen Mannen und den beiden sehr unterschiedlichen, aber hervorragend harmonierenden Sängerinnen Sandy Wollasch und Nkechi Mbakwe. Hinzu kommt, dass Hellmut sein Set ziemlich geschickt aufbaute: Nach dem erwähnten Instrumental-Intro schlichen sich peu a peu die anderen Musiker auf die Bühne und nach dem dem jazzigen Titeltrack des neuen Albums gab es mit "Not What You Think" gleich auch den ersten Höhepunkt. Besser kann man einen modernen, tanzorientierten Pop-Song einfach nicht präsentieren. Das groovte wie die Hölle, machte Laune auf mehr und auch der Refrain setzte sich unweigerlich sofort im Kopf fest (sofern er sich nicht längst dort befand). Im Gegensatz zur CD-Version gefielen in dem Zusammenhang übrigens besonders die knackigen, knochentrockenen Rhythmen von Drummer Oli Rubow. Da bekam der Begriff "Drum'n'Bass" gleich eine ganz neue Dimension. Das Hauptgewicht legte Hellmut auf die Tracks der neuen Alben "No Eats Yes" und "Mallberry Room". Diese gerieten dann auch zu den Publikumsfavoriten - besonders dann, wenn alle Beteiligten auf der Bühne wie die Derwische umeinander sprangen. Und dass Hellmuts Fans nicht nur auf die in die Beine gehende Mucke achteten, konnte man z.B. an der Tatsache ersehen, dass z.B. einzelne den ganzen Text von Songs wie "Sunny Jay" mitsingen konnten. Aber auch wenn der Großteil des Programms aus hypermodern dargebotenen Tanzflächenknüllern zu bestehen schien: So ganz wollte Hellmut offensichtlich seine Kraan-Fans nicht vergraulen. Und so gerieten denn die im mittleren Programmteil gebotenen instrumentellen Improvisationen besonders intensiv. Hier gefiel besonders Trompeter Sebastian, der sein Instrument durch alle möglichen Effektgeräte jagte und zuweilen durch ein Wah-Wah Pedal spielte. Dazu besorgte Hellmut auf dem Bass ebenso die Soli wie auch den Rhythmus - d.h.: Sofern er nicht das Publikum aufforderte, diesen durch Klatschen beizusteuern, was dieses bereitwillig tat. Dazu nutzte Hellmut sämtliche sich anbietenden Hohlräume seines Oberkörpers, um durch Klopfen, Gurgeln, oder Grunzen allerlei kurzweilige Percussion-Einlagen beizusteuern.
Sandy Wollasch & Hellmut Hattler
Natürlich musste die gefeierte Band am Ende für einige Zugaben zurück auf die Bühne des tobenden Hauses. Hellmut nutzte die Gelegenheit, den Titeltrack von "No Eats Yes" prinzipiell der offiziellen deutschen Haltung Deutschlands in der Irak Frage beizumessen, um sich dann zusammen mit der Band vor dem dankbaren Publikum zu verbeugen. Wenn man Konzerte wie dieses sieht, erscheint es in der Tat müßig, hier über Radio-Airplay oder nicht nachzudenken (was natürlich an den von Hellmut eingangs geschilderten Umständen nichts ändert). Hier hat man einen Künstler, der sich abseits der ganz großen Öffentlichkeit ein Umfeld geschaffen hat, das sprießt und gedeiht. Und das ist in Zeiten wachsenden Musikverdrusses schon immens viel wert.
Surfempfehlung:
www.hellmut-hattler.de
Text: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-


 
 

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