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Konzert-Bericht
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Meine Freundin, die Musik
Nicolai Dunger
Köln, Gebäude 9 01.04.2003
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Dass die Schweden nicht gerade ein Volk sind, das an kollektivem Adrenalinausstoß zugrunde zu gehen droht, weiß man ja im allgemeinen. Allerdings übertrieb es Nicolai Dunger bei diesem Konzert im kleinen Saal des Gebäude 9 doch ein wenig mit der Zurückhaltung. Ohne ein Wort ans aufmerksame Publikum zu richten, spielte der Sänger mit der gewöhnungsbedürftigen Stimme einen ruralen Schweden-Blues nach dem anderen - die Bauernmütze tief ins Gesicht gezogen, den Blick auf einen Punkt ca. 10 cm über dem Boden gerichtet und ganz ohne ironische Distanz. Andererseits passte ja doch wieder alles: Dungers neue CD heißt "Tranquil Isolation", ist mit dem Altmeister des spröden Kauz-Rock, Will Oldham, entstanden, pünktlich zum Konzertbeginn begann es in Strömen zu regnen und Schweden - zumindest das nördliche, düstere Schweden - so meinte Dunger vor dem Konzert nachdenklich, sei eigentlich recht geeignet, den Blues zu evozieren.
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Nun ist das, was Dunger macht, natürlich kein reinrassiger Blues. Nein, Dunger spielt mit den Versatzstücken der südlich orientierten Sklavenmusik, durchsetzt diese aber mit kreativem nordländischem Freigeist. "Why am I so strong when I'm always out of tune" heißt es zutreffend in einem seiner Songs. Und in der Tat, so mutig, wie Dunger entlang möglicher Melodien am Rande der Atonalität entlang läuft, wundert es schon, dass es ihm meist doch irgendwie gelingt, den Song in für den Zuhörer erträglichen Bahnen zu halten. Das kommt natürlich mit einem Preis daher: Alles hört sich nämlich zwar gleichermaßen verwegen, aber auch uniform an. Ob dies nun aktuelle Tracks sind, wie "Hey Mama" oder "Tribute To Tim Hardin" (bei diesem Showcase natürlich nicht auf dem Klavier, sondern auf der Gitarre dargeboten), Cover Versionen - etwa von John Cale (leider wissen wir nicht welche, da wir unseren großen Wohlfeld nicht dabei hatten), ältere Werke wie "Ballad Of A Relationship" von "Soul Rush" oder "Father" von "This Cloud Is Learning" sowie ein ganzes Medley von neuen Songs, die er als Zugabe darbot. Einige Dinge wurden aber deutlich bei diesem Konzert: Dunger ist im abgesteckten Rahmen ein exzellenter, origineller Sänger. Nicht umsonst möchte er auf der nächsten Scheibe das Ohrenmerk ganz auf diese Tatsache lenken. Wie der Mann da mit Phrasierungen, seinen Sprachfehlern (eine Art stumpfes Lispeln) und urplötzlichen Dynamikattacken arbeitete und seine Lyrics teilweise hinausbrüllte, jaulte oder aber ganz sanft intonierte, war schon beobachtenswert und ging im Kontext zu seinem Gitarrenspiel auch vollkommen in Ordnung. Dungers trockener, simpler und teilweise hakeliger Stil mag bei manchem Freund virtuoser Fingerfertigkeiten vielleicht nur verständnisloses Kopfschütteln hervorrufen - bei Freunden traditionell orientierten Liedgutes, die sich in ihrem Herzen ein Plätzchen für den rauhen Charme des Originären erhalten haben, sorgt sowas aber eher für ein wissendes Lächeln. Überraschend erschien eher die Tatsache, dass Dunger zuweilen mit Akkorden aufwartete, die in anderer Verpackung auch Grunge-Stücken nicht schlecht angestanden hätten. Dann war's auch wieder nicht überraschend, denn immerhin hatte Dunger auf "Cloud" bereits Nirvana gecovert.
Nicolai ist darüber hinaus ein sehr erfahrener Performer und einer, der seinen Vortrag an seinen zahlreichen musikalischen Bekanntschaften (die er als künstlerisches Hauptanliegen seines Tuns betrachtet) geschärft hat. Deswegen wirkte der introvertierte Habitus des Sängers auch eher souverän als verunsichernd - gerade so, als sei der Mann eins mit seinem Tun. Musik, so meinte er vorher jedenfalls sinnierend, sei für ihn wie die Beziehung zu einer Frau. Das wirkte scheint's - jedenfalls hörte man nichts von dem bei akustischen Solo-Konzerten sonst üblichen ständigen Gemurmel, mit dem das Publikum sein Desinteresse zu dokumentieren pflegt. Die 30 Zuschauer, die den Weg ins Gebäude 9 gefunden hatten, hingen interessiert an den Lippen des Meisters. "Es ist eure Schuld, dass ich so lange spiele", murmelte Nicolai bei einer seiner wenigen Ansagen - was indes niemanden zum Umdenken zu bewegen schien. Zwar war dieses Konzert keine wirkliche Offenbarung (wie z.B. ein akustisches Set des seelenverwandten Elliott Smith es gewesen wäre), erlaubte aber den zuweilen dann doch intimen Blick auf einen interessanten, eigenwilligen, sperrigen aber auch ungewöhnlichen Songwriter unserer Tage. Übrigens: Was auf das eingeschränkte musikalische Format des Vortrages zutraf, gilt keineswegs für Nicolais konserviertes Erbe. Neben den offiziellen - und unglaublich unterschiedlichen - CDs hat Dunger, quasi zum Spaß, drei Vinyl-Scheiben mit verschiedenen Jazz-Tracks aufgenommen. Daneben arbeitet er auch gerne auf dem Bereich der Filmmusik (momentan für Kurzfilme) und ständig an neuen Stücken. Dunger ist jedenfalls jemand, der auch in Zukunft für Überraschungen gut sein dürfte.
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NACHGEHAKT BEI: NICOLAI DUNGER
Vor dem Konzert trafen wir Nicolai Dunger noch zu einem kleinen Plausch bezüglich seiner Kollaboration mit Will Oldham auf der neuen Scheibe "Tranquil Isolation".
GL: Wieso heißt die Scheibe eigentlich so? Ist Nicolai musikalisch vereinsamt?
Nicolai: "Nein, ganz im Gegenteil. Ich bin ein rastloser Geist, wenn ich Musik mache. Ich mag es, viele Leute zu treffen und musikalische Beziehungen mit ihnen einzugehen. Diese Scheibe habe ich z.B. mit Will Oldham, den ich bereits vor ein paar Jahren kennengelernt habe, im Studio seines Bruders Paul in Kentucky aufgenommen. Ich hatte seine Musik eine längere Zeit lang gar nicht mehr gehört - weil ich musikalisch an einer Vinyl Trilogie gearbeitet hatte, die eher mein Tribut an den Jazz war. Als ich ihn neulich wieder traf, als ich mit Mercury Rev tourte, wurde mir bewusst, dass mir seine Musik fehlte. Seine Musik war wie ein alter Freund, den ich wieder traf. Er sagte dann, wenn das so sei, dann sollten wir etwas zusammen machen. Das hat aber nichts mit dem Titel der Scheibe zu tun. Das ist ein Zitat aus dem John Huston Film 'Under The Volcano' mit Albert Finney. Da gibt's diese Szene, wo er sagt - total betrunken, wie immer - er werde jetzt auf's Land ziehen und in eine 'ruhige Isolation' gehen - wobei doch alle wussten, dass er sterben würde. Es war ein Traum, der nichts mit der Realität zu tun hatte. Ich dachte, das passte ganz gut zu der Scheibe. Diese wurde ganz einfach und schnell eingespielt. Es war vollkommen unproblematisch. Ich hatte mir eine Menge originärer amerikanischer Musik angehört und dachte, wie wundervoll es doch ist, wenn man einfach Leute treffen kann und so was wie eine original Blues-Folk-Scheibe aufnehmen kann. Es ist eine Art Momentaufnahme draus geworden, was gar nicht so geplant war."
GL: Das mit der Blues-Musik kommt jetzt auf der Scheibe gar nicht so akademisch rüber, wie Nicolai das hier beschreibt - strikte 12-Bar Titel wird man z.B. vergeblich suchen. Ist das nicht vielmehr eher seine Interpretation des Blues-Gedankens?
Nicolai: "Es kommt nicht unbedingt an, woher du kommst, wenn du den Blues singen möchtest. In Afrika hörst du es ja z.B. auch überall. Es ist nicht amerikanischer Blues. Es ist nur in der Tradition von Leadbelly. Es war einfach schön, so simpel zu bleiben. Ich komme aus Nord-Schweden - vom Land. Und es gibt irgendwie schon eine gewisse Ähnlichkeit in der Mentalität mit Leuten wie Will - langsam, bedächtig. Das Album hat aber auch eine gewisse Frische. Das hängt natürlich auch mit meiner seltsamen Art zusammen, mit Harmonien und Melodien zu arbeiten. Das Album hat ein bisschen von allem. Es kommt nämlich nicht darauf an, was man singt, sondern wie. Es ist sogar ein bisschen schwedischer Seele drin - das muss sein, sonst verleugnest du ja dein eigenes Erbe. Ich mag das."
GL: Wie passen denn die Texte hier ins Bild? Diese sind - durchaus ähnlich wie die von Will Oldham - ziemlich unkonkret, simpel, aber auch überraschend, voller schöner Bilder und seltsamer Gedanken. Will erzählte uns ja einmal, dass er sich gerne von Worten überwältigen lasse.
Nicolai: "So weit würde ich nicht gehen. Ich sitze nicht und warte bis mich etwas überwältigt, aber ich bin schnell gelangweilt, und deswegen schreibe ich viele Texte. Auf eine Art sind meine Texte ziemlich frei und simpel. Meine Musik ist zuweilen ziemlich kompliziert, aber die Texte müssen einfach sein. Ich mag das einfach. Das ist auch der Grund, warum ich beim Singen ziemlich leidenschaftlich sein kann: Ich meine, was ich sage und ich werde zuweilen von meinen eigenen Worten berührt, wenn ich singe. Ich denke, das ist wichtig, weil du sonst auch gar nicht zu den Leuten vordringen kannst. Es kommt dabei wirklich nicht darauf an, worüber man singt. Manche meiner Texte sind einfach nur aneinandergereihte Wörter. Die Sprache ist wichtig dabei. Es ist irgendwie wie eine Freundschaft, eine Beziehung zwischen Instrument, Stimme, Wörtern. Wenn du einen Kanal öffnest und deinem Unterbewusstsein zulässt dich zu führen, dann kommen die Sachen ziemlich einfach zustande. Ich habe jedenfalls kein Problem damit, Songs zu schreiben - eher schon nachher die richtigen auszusuchen. Die Scheibe als solches fertigzustellen - Artwork, Reihenfolge etc. - ist dann auch schwere Arbeit, damit es Sinn als Ganzes macht. In ein paar Jahren wird sich dann zeigen, wie erfolgreich ich war."
GL: Und wie wird es weitergehen?
Nicolai: "Das war die letzte Scheibe, die ich in dieser simplen, puren Form gemacht habe. Die nächste CD wird 'größer' werden, ich werde mehr mit Arrangements arbeiten - aber nicht wie auf 'Soul Rush'. Ich möchte mehr mit meiner Stimme arbeiten, singen und mehr auf die Dynamik achten - vielleicht werde ich selbst auch weniger Gitarre spielen, denn alles auf meinen Scheiben hängt von meiner Stimmung ab, und das geht am besten mit der Stimme - vom Flüstern über's Heulen bis hin zum Schreien."
[Konzert-Fotos folgen in Kürze]
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Surfempfehlung:
www.nicolaidunger.com
www.tsool.com/dunger/
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Text: -Ullrich Maurer- Fotos: -Pressefreigaben-
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