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Konzert-Bericht
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Blessed To Be A Witness
Ben Harper
Berlin, Universal Hall 22.05.2003
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Das letzte Ben Harper Konzert in Deutschland war schon ein bisschen her. Vor knapp zwei Jahren, im Sommer 2001, spielte er mit seinen Innocent Criminals vor den Deichtorhallen in Hamburg ein Konzert, das streckenweise religiöse Züge annahm. Zudem ging damals - an einem ansonsten heiteren Julitag - während des Konzerts ein Gewittersturm über Hamburg nieder. Die Götter dulden eben keine Hybris. Just in dem Moment, als damals das Konzert zuende war, stoppte auch der Regen. Seit Juli 2001 hat sich nicht nur in der Welt, auch bei den Innocent Criminals - die auf ihrer kurzen Promotournee durch Europa durch den Gitarristen Nicki P. und Jason Yates an den Keyboards unterstützt werden - einiges geändert, manche Dinge ändern sich jedoch nicht: Ben Harper gibt nach wie vor über 200 Konzerte im Jahr, aber auch diesmal nur ein einziges in Deutschland: in der 1200 Leute fassenden Universal Hall in Berlin. Es bleibt zu hoffen, dass die "richtige" Europa Tournee im November nicht nur eine Konzertreise durch Frankreich bleibt. Dort füllt Ben Harper wie in den USA bekanntlich Hallen der 15 000er Kategorie.
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Das Konzert beginnt um halb neun mit einer Reggae-Version von "Excuse Me, Mr.", einer bitterbösen Anklageschrift gegen korrupte Politiker und skrupellose Großkonzerne. Kommentare über die Lage der Welt gibt der angesichts des euphorischen Publikums sichtlich bewegte Harper abseits der Songs allerdings nicht ab. Wozu auch. "War", die Coverversion eines Bob Marley Songs - stimmig in "With My Own Two Hands" eingeflochten - spricht eine deutliche Sprache. Auch das grandiose "Welcome to the Cruel World" erfährt in diesem Kontext eine neue Bedeutung. In einer Zeit, in der die wenigen, die noch hinter George W. Bush stehen, die Besitzer der Firmen sind, die für den Wiederaufbau Iraks vorgesehen sind, stehen die Songs Ben Harpers mindestens für Nonkonformität. Und was das für Songs! Aus jedem der nunmehr fünf Studioalben wird geschöpft, wobei das neue "Diamonds on the Inside" mit dem knüppelharten "Temporary Remedy", dem ruhigen, leicht karibisch daherkommenden "Blessed To Be A Witness" oder dem roots-lastigen "When It's Good" erwartungsgemäß im Vordergrund steht. Darüber hinaus gibt es mit dem beinahe obligatorischen "Sexual Healing" (von Marvin Gaye) eine weitere große Coverversion.
Die Innocent Criminals, allen voran ihre extrem tighte Rhythm-Section um Drummer und Geburtstagskind Oliver Charles, Bassist Juan Nelson und Percussionist Leon Mobley bilden dabei das Rückgrat für Harpers mal zurückhaltendes, mal bombastisch-thrashiges, aber stets meisterhaftes Gitarrenspiel, bei dem er auf ein Arsenal unterschiedlicher Instrumente zurückgreift. Sein erklärtes Lieblingsinstrument, eine in den 1920er Jahren vom deutschen Emigranten Herman Weißenborn gebaute hollow-neck Slide-Guitar, beherrscht er virtuos und erzählt zudem der andächtig lauschenden Masse die Geschichte des Wiesbadener Instrumentenbauers, den es einstmals ausgerechnet nach Hollywood verschlug.
Zur ersten Zugabe kommt Ben Harper zunächst allein auf die Bühne und spielt mit "Waiting On An Angel" seinen möglicherweise schönsten Song. Und alle im Publikum sind sich im Klaren darüber, dass sie hier etwas Besonderem beiwohnen dürfen. Das Konzert besitzt eine mystische Komponente. Ben Harper ist der Schamane, der Carlos Santana hinter seiner Sonnenbrille gerne wäre. Er spielt, singt und tanzt sich, seine Mitmusiker und das Publikum förmlich in Ekstase. Anders lässt sich der Zustand nicht beschreiben, in den die zumeist jungen Leute in der Universal Hall geraten. Und auf der Bühne scheinen die Grenzen zwischen Musik und Musikern langsam zu verschwimmen.
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Zum Schluss spielen sie "Like A King", ein Stück, das die Misshandlung Rodney Kings mit dem "dream" Martin Luther Kings in Beziehung setzt: "Martin's dream has become Rodney's worst nightmare." Pessimismus? Dann jedoch geht der Song, der sich mittlerweile in eine ausufernde Jam Session verwandelt hat, über in den Gospel von "I'll Rise". Ben Harper singt den Text von Maya Angelou mit nach oben gerichteter rechter Faust und religiöser Intensität: "So you may shoot me with your words, you may cut me with your eyes, and I'll rise, I'll rise, I'll rise." Dann, nach über zweieinhalb Stunden und frenetischem Beifall ist der Spuk vorbei, und der seltsame Geruchscocktail aus Schweiß und Joints fällt plötzlich mehr auf als zuvor. Man ist noch nicht wieder ganz in der Realität angekommen, und das wird wohl auch noch etwas dauern. Ein schönes Gefühl.
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Surfempfehlung:
www.benharper.com
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Text: -Christian Spieß- Foto: -Pressefreigabe-
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