Und das war Kettcar aus Hamburg, die in bester Spiellaune ihr Set absolvierten, auch wenn die Zwischenansagen nahezu identisch mit denen waren, die bei ihrer Clubtour zu hören waren - "Wie heißt euer Verkehrsverbund hier? VRR? Ach ja, richtig, beim nächsten Mal werde ich es behalten..." Sollte Sänger Marcus Wiebusch auch langsam, schließlich hat er mit seiner Band wohl schon so ziemlich alle Städte im Ruhrgebiet bespielt. Aber solange die Band solch großartige Songs wie "Landungsbrücken raus" schreibt, kann man über diese Ansagen-Wiederholungen locker hinwegsehen. Einen neuen Song mit dem Arbeitstitel "Nacht" hatten sie auch im Programm, der schon wieder Lust auf neues Material machte.
Aereogramme kommen aus Schottland und hatten ob ihres Akzents schon und wegen ihrer knuffigen Ansagen (ihr bleicher Gitarrist meinte mit Blick auf die sonnenverbrannten Fans vor ihm schelmisch: "Egal, was ich mache, ich werde einfach nicht braun!" oder auch: "Der nächste Song handelt von Depression. Na, das passt ja prima: Sonnenschein und Depression!") das Publikum auf ihrer Seite. Musikalisch gaben sich die vier Bartgesichter zwar alle Mühe, ihre volle Wirkung konnten "die Erben Mogwais" mit ihrem musikalischen Licht-und-Schatten-Spiel in der prallen Mittagssonne allerdings nicht entfalten. In einem kleinen Club hätte ihr Energielevel vermutlich für eines der besten Konzerte des Jahres gereicht, beim Westend waren sie "nur" ein netter Appetizer für das, was noch kommen sollte.
Die Aufmerksamkeitsspanne beim Auftritt der Caesars war aber erstmal sehr kurz, denn so richtig fesseln konnten die Herren das Publikum wohl nur für ein bis zwei Songs, danach legte man sich doch lieber in den Schatten und entspannte sich ein wenig. Relativ unentspannt verlief allerdings der Auftritt von Slut - zunächst dauerte der Soundcheck viel länger als geplant, was natürlich darauf hinaus lief, dass die Jungs ihren Set verkürzen mussten. Sie wollten dann halt einfach ein wenig schneller spielen, meinte Sänger Christian Neuburger schelmisch. So präsentierte die Band ihre Songs sehr knackig und auf den Punkt gebracht.
Danach wurde es ernst - ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead, wahrscheinlich die beste Band der Welt, stand auf dem Programm, und das bedeutete vor allem: Rock N Roll und Angst in den ersten Reihen. Angst deswegen, weil man sehr leicht von herumfliegenden Instrumenten-Teilen getroffen werden könnte. Schon nach dem dritten Song wurde eine Gitarre in ihre Einzelteile zerlegt und mit den Worten "Every guitar has its time" verabschiedet. Das zeigte nur, mit welch guter Stimmung Kevin Allen, Neil Busch, Conrad Keely und Jason Reece aus Austin, Texas, angereist sind und mit großartiger Spiellaune Songs wie "All St. Day" oder "Relative Ways" dargeboten haben. "Richter Scale Madness" stand noch als letzter Song auf der Setlist, aber dazu kam es nicht mehr - die Band hatte bereits ihr komplettes Equipment umgeschmissen bzw. klein gehackt und musste von ihren Roadies von der Bühne gezerrt werden. Berichten zufolge hat die Band nach ihrem Auftritt backstage weiter randaliert, im Hotel angekommen dort für weitere Verwüstung inkl. "Fernseher aus dem Fenster werfen"-Aktionen gesorgt, solange, bis die Band von den Herren in grün eingebuchtet wurde.
Wenn es eine definitive Festival-Band gibt, dann ist das mit Sicherheit Therapy? - mit Leichtigkeit ziehen Andy Cairns & Co. jedes Publikum rasch auf ihre Seite und sie geben ihnen, was man von der Band erwartet: Heavyfuckingmetal im Therapy?-Stil. "Trigger Inside", "Stories", "Hey Satan You Rock", "Potato Junkie", und und und. Dazu wie immer ein sehr hoher F-Wort-Anteil in den Ansagen, und Bassist Michael McKeegan nutze den Auftritt für ein Experiment: Rocken, ohne Unterwäsche zu tragen. "Feels kind of loose, funky, balls-up" meinte er breit grinsend. Man muss Therapy? einfach lieben.
Danach wurde es richtig eng in den vorderen Reihen, denn Ash hatten sich eine kleine Auszeit von den Aufnahmen für ihr neues Album genommen, um eine exklusive Europashow beim Westend 03 zu geben. Eine hervorragende Idee, denn was hier geboten wurde, waren schlichtweg: Hits, Hits, Hits. Titel gefällig? "Girl From Mars", "Oh Yeah", "Goldfinger", "Shining Light", dazu direkt noch neue Songs mit Namen wie "Renegade Cavalcade", "Orpheus" und "Evil Eye". Tolle Songs, hervorragende Stimmung auf und vor der Bühne, Flying-V-Gitarren, Gitarristin Charlotte Hatherley sexycool wie immer. Ash sind einfach groß.
Noch eine Numme größer allerdings waren an diesem Abend Black Rebel Motorcycle Club, die auch als würdiger Headliner locker durchgingen. Nachdem die Band nahezu den kompletten Tag in einem dunklen Zelt einen kleinen Interview-Marathon absolvierten, waren Peter Hayes (voc, guitar), Robert Turner (voc, bass) und Nick Jago (drums) sicherlich froh, endlich auf der Bühne stehen zu können und eine klasse Mischung aus alten und neuen Songs von ihrem hervorragendem neuen Album "Take Them On, On Your Own" spielen zu können. "Red Eyes And Tears", "Love Burns", "Rifles" und natürlich "Whatever Happened To My Rock'n'Roll" ließen das Rock-Herz schneller schlagen, neue Songs wie "Stop", "Six Barrel Shotgun" (der Song dürfte locker zum Live-Favorit werden) oder auch das schon seit Ewigkeiten live gespielte "US Government" sind schneller auf den Punkt gebracht und kommen dynamischer daher, als man es von BRMC bisher gewohnt war. Oder einfach: Klasse.