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Die Eiskönigin

Liz Phair

Köln, Gebäude 9
29.09.2003

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Liz Phair
Keine Setlist? Keine Ansagen? Mikros, die in's Auditorium ragten? Das konnte eigentlich nur eines bedeuten: Der deutschlandweit einzige Gig von "Ex-Indie turned Popstar on a rock basis but still maintaining that certain attitude Queen" Liz Phair würde wohl eine durchkalkulierte Showcase-Angelegenheit werden, die womöglich gar mitgeschnitten wurde. Und so war es denn auch. Das Schlüsselwort des Abends war dabei: "Kontrolle". Das bezog sich nicht nur auf den minutiös durchkonstruierten Ablauf der Show, sondern auch auf das ganze beängstigend professionelle Drumherum. So viel Rockstar-Energie hatte man im Gebäude 9 seit Jesse Malins Gastspiel nicht mehr verspürt. Erstmalig gab es gar Absperrgitter, die indes direkt vor der bis zum Stehkragen vollgepackten Bühne verbaut waren, so dass der Zweck derselben ziemlich rätselhaft blieb.
Auf der Bühne selbst waren zwei Podeste aufgebaut - eines für die Keyboards, eines für die Drums. Eine mitgebrachte Crew - darunter Roadie, Soundmensch und Gitarrentechniker sorgten für einen reibungslosen Ablauf und eine sorgsame Lichtregie untermalte das Geschehen auf effektive Weise. Als dann die Band schließlich die Bühne betrat, lief alles ab wie ein funkgesteuertes schweizer Atom-Uhrwerk. Mit "Polyester Bride" vom Album "Whitechocolatespacegg" eröffnete Liz das Programm und führte das Publikum zielsicher und mit strenger Hand durch einen ziemlich repräsentativen Querschnitt ihres bisherigen Oeuvres. Das reichte von den (im Gegensatz zur CD dann doch ziemlich herzhaft zupackenden) Tracks wie "Rock Me" vom neuen, selbstbetitelten Albums über "Chopsticks" von "Whip-Smart" bis hin zur famosen "Blow Job Queen" vom Debütalbum "Exile In Guyville" (womit man ja nicht wirklich gerechnet hätte). Dieses Album wurde sogar noch einmal gefeatured: Es gab "Glory" - genauso kurz wie auf der Scheibe, aber mit merkwürdig atonalen Licks des Lead-Gitarristen (der dem Gerücht nach ein Zwillingsbruder des Drummers ist) verfremdet. Ansonsten wurden eher die poppigen Rocknummern der Neuzeit gespielt. Und diese - das musste einem der Neid lassen - machten in den Live-Versionen zum Teil durchaus mehr Sinn, als auf Konserve. Das liegt daran, dass Liz Phair im Prinzip wohl eher eine Songwriterin als eine Rockbraut ist. Ihre ganz schön vertrackten und unerbittlich herausgedengelten Riffs und Akkorde auf der Rhythmus-Gitarre basieren dabei offensichtlich auf autodidaktisch Angeeignetem, was sich gar prächtig mit den eher konventionell / professionellen Rock-Riffs des Lead-Gitarristen rieb. Das - zusammen mit der Tatsache, dass live alles eine Nummer druckvoller und verspielter rüberkam als auf der CD (obwohl kaum ein Song die drei Minuten-Grenze sprengte), machte die ganze Angelegenheit dann doch eher kurzweilig.
Liz ist nicht unbedingt eine Shouterin - das machte es zuweilen schwer ihre eher körperlose Stimme im allgemeinen Mix zu orten - was aber durch diverse A-Capella und Harmonie-Passagen halbwegs kompensiert wurde. Eingestreut wurden einige Überraschungen - wie z.B. "Perfect World", sparsam zur Rhythmus-Gitarre und Keyboards vorgetragen - und als Zugabe eine wunderschöne, rein akustische Version der ihrem Sohn gewidmeten Ballade "Gold Digger". Dabei arbeitete man durchweg so effektiv - oder kontrolliert - wie möglich. Ansagen gab es nur gelegentlich und fast alle Stücke kamen ohne erkennbare Soli aus. Wenn es dann einmal eines gab, wie z.B. bei "Take A Look", dann war es kurz und süß und saß auf dem Punkt. Liz, die in ein optisch sehr effektives Ensemble aus u.a. pelzbesetztem T-Shirt, Ärmelschonern und Netzstrümpfe gekleidet war, erwies sich hierbei zu jeder Sekunde als Kapitän im Boot und steuerte ihre Mannschaft mit kleinen Gesten und Zurufen durch alle Untiefen. Obwohl: Diese gab es eigentlich gar nicht. Bis auf das der Guten eine Saite riss, passierte eigentlich gar nichts. Und das ist irgendwie auch wörtlich zu nehmen: So richtig ins Schwitzen geriet bei diesem Set niemand. Das ist auch der Grund, warum die Sache nicht so recht als Rock'n'Roll-Show durchgehen mochte, sondern eben eher als elektrifizierte Songwriter(innen)-Veranstaltung. Das hatte aber auch irgendwie seinen Reiz. Denn Lizzys spielte dabei die Rolle der unberührbaren, eisgekühlten Blonde - und das ziemlich perfekt. Diese Persona verleiht ihr dabei so eine Art inneres Volumen, das auf interessante Weise mit der tatsächlichen, eher bescheidenen Körpergröße kontrastiert: Liz Phair wirkt auf der Bühne deutlich größer als im richtigen Leben. Gleiches gilt wohl auch für ihre Bühnen-Personality. In einem Interview meinte sie nämlich mal: "In meinem richtigen Leben laufe ich nicht als Liz Phair herum, sondern als ich selbst." Cute. Ein besonders irritierender Faktor bei der Show war indes der Umstand, dass sie sich ständig irgendwelche Leute im Auditorium raussuchte und diese sekundenlang fixierte. Will meinen: So richtige Herzenswärme quoll da nicht gerade von der Bühne - und das obwohl das Publikum sich alle Mühe gab, die Liz zu lieben. "Ich habe auch ein paar Worte auf deutsch gelernt", meinte sie dann aber plötzlich mittendrin, "eines hieß 'Finanzdindgsda' und das andere '1. FC Köln'. Herzliches Beileid übrigens." Das war wohl dadurch zu erklären, dass sie am Nachmittag mit ihrem ortsansässigen Bruder eine Stadtführung gemacht haben musste.

Nach einer ziemlich genau bemessenen Stunde war die Sache dann mit einer einzigen Zugabe auch bereits zu Ende. Obwohl sie noch nicht mal "H.W.C." gespielt hatte, feierte das Publikum seine Heldin noch ausufernd und frenetisch als sie schon längst vor der Tür stand und Autogramme gab. Ein Rezensent meinte einmal, auf ihrem neuen Album habe Liz versucht, Stücke zu schreiben, die von jedermann sein könnten. Nach dieser Show stand fest, dass das so sicher nicht stimmt. Denn wenn man das ganze produktionstechnische Brimborium abzieht, bleibt unter dem Strich eine ziemlich eigenständige manchmal unbequeme und manchmal erstaunlich eloquente Songwriterin übrig, die sich aufgrund ihrer unkonventionellen Ansätze eine durchaus autarke Nische erspielt hat, in der sie eine verdammt gute Figur machte. Und es ist ja kein Verbrechen ein Pop-Album zu machen, wenn man bereit ist, die zugrundeliegenden Stücke zumindest auf der Bühne mit Zähnen und Klauen zu verteidigen - wie hier geschehen.

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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
 

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