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Musik ist Politik

Ben Harper

Hamburg, Große Freiheit 36/ Köln, Palladium
12.10.2003/ 15.10.2003

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Ben Harper
Ben Harper ist auf Deutschland-Tournee, der ersten seit über fünf Jahren. Grund genug für Gaesteliste.de, der Sache mit einer ausgedehnten Berichterstattung Rechnung zu tragen, die in Hamburg, dem ersten Stop der Tour in Deutschland ihren Ausgang nimmt. Die gerade erst aus Kopenhagen angekommenen Musiker sind sichtlich müde, und so haut sich Bassist Juan Nelson nach dem Soundcheck noch mal für ein Stündchen aufs Ohr, um wenig später ausgeruht die Bühne in der seit Wochen ausverkauften Großen Freiheit 36 zu betreten.
Wie schon beim recht exklusiven Konzert in Berlin im Mai diesen Jahres (Gaesteliste.de berichtete) gibt es auf dieser Tour keinen Support. Hoffnungen, den sich auch hierzulande immer größerer Beliebtheit erfreuenden Harper-Kumpel Jack Johnson wie in den Staaten im Vorprogramm zu sehen, wurden enttäuscht. Dafür haben die Innocent Criminals einen Neuzugang. Marc Ford spielte mal bei den Black Crowes Gitarre, und er sieht auch immer noch so aus: Hut mit langen Haaren drunter, Schlabberhemd, Zigarette im Mundwinkel und dieser festgefahrene, aber versöhnliche Kifferblick. Harper lässt ihm nicht nur die Freiheit, mit einigen angenehm erdigen Soli zu glänzen, sondern gewährt ihm auch, u.a. bei "Brown Eyed Blues" oder "Gold To Me", ganz neue rhythmische Akzente zu setzen. Mit Ford, der den etwas farblosen Nicky P. ersetzt, könnten sich die Innocent Criminals gar zu einer Art "E Street Band des Funk / Roots / Reggae" mausern. Bei dem an und für sich mittelmäßigen Song "Steal My Kisses" aus dem noch mittelmäßigeren Album "Burn To Shine" zeigt sich dies deutlich. Percussion-Mann Leon Mobley trommelt sich in Ekstase, Harper springt über ihn rüber (!) und Juan Nelson kriegt ein langes Bass-Solo. Die Show-Elemente bzw. das, was man als solche interpretieren könnte, haben ohne Zweifel zugenommen, was bei solchen Musikerpersönlichkeiten nicht per se schlecht sein muss. Etwas gewöhnungsbedürftig ist es allerdings. Ähnliches gilt auch für das obligatorische "Burn One Down", bei dem aus dem Publikum wie auf Kommando süßlich duftende Rauchzeichen zum Gruße aufsteigen. Leon Mobley trommelt sich wiederum in andere Sphären, während ihm Keyboarder Jason Yates und Ben Harper mit ihren Handtüchern Luft zufächern und ihm den Schweiß von der Stirn wischen. Solche Aktionen und die schiere Freude, mit der Harper und Co. agierten, ließen diejenigen, die die Berichte aus Skandinavien verfolgt hatten, darüber hinwegsehen, dass die Setlist in Hamburg erstaunlich unspektakulär ausfiel. Das wunderbare Marvin Gaye Medley aus "Sexual Healing" und dem überraschend eingestreuten "Let's Get It On" bildete dabei eine erfreuliche Ausnahme. Auf selten gespielte Großtaten wie "Suzie Blue", "Power Of The Gospel" oder "God Fearing Man" wartete man allerdings auch im Zugabenteil vergebens.

Dieser begann wie immer mit Ben Harper "solo acoustic". Er gibt das traurig-schöne "Another Lonely Day". Die Kiddies, die soeben noch bekifft rumhüpften oder mit ihren Handys rumspielten, sind stumm geworden, und die einzigen Geräusche, die aus dem Publikum dringen, sind klickende Feuerzeuge und das aus einer ganz anderen Welt zu stammen scheinende Surren der Lüftung. Harper ist offensichtlich angetan vom hanseatischen Publikum, das an den richtigen Stellen mitklatscht und sich als nicht unmusikalisch outet. "I hate singing along, but this is soulful interaction. There's gotta be a difference I hope." Dennoch endet der Akustikteil recht abrupt nach nur drei Songs. Harper verschwindet, um kurz darauf zusammen mit Juan Nelson und Drummer Oliver Charles zurückzukehren und mit einer donnernden Version des alten "Whipping Boy" seine Weissenborn zu quälen und ein Highlight des Abends zu liefern. Ganz zum Schluss dann "With My Own Two Hands", dem Opener des aktuellen Albums, wie immer mit Bob Marleys "War" in der Mitte, das heute schon bei den ersten Zeilen erkannt und sogleich abgefeiert wird. Nach zwei Stunden und zehn Minuten - für Harpers Verhältnisse beinahe kurz - ist alles vorbei. Man verbeugt sich, verteilt Setlisten, Plektren und sonstige potentielle Objekte der Nostalgie ans Publikum. Die Leute brüllen zwar noch 15 Minuten lang - auch noch, als die Roadies schon die Bühne auseinandernehmen - aber es nützt nichts. Noch in der Nacht geht es weiter in Richtung Amsterdam.

Ein paar Tage später in Köln...

Im Prinzip war das, was Ben Harper in Köln bot, wohl ziemlich ähnlich dem, was Kollege Christian Spieß aus Hamburg berichtete. Das kann man jetzt so auslegen, dass die Leute in beiden Fällen gleichbleibende und ordentliche Qualität für ihr Geld geboten bekamen - oder aber so, dass Harper vielleicht auf Nummer sicher gehen wollte? Hier jedoch würde man dem Mann unrecht tun. Erstens ging Ben noch nie auf Nummer sicher, zweitens reiste er mit einer vergleichsweise riesigen Equipage durch die Gegend, die ein effizientes Timing und einen klaren Plan schlicht bedingten und drittens gab es ja durchaus Unterschiede. Auf jeden Fall durfte man sich sicher sein, dass Ben in Hamburg wie in Köln gewiss alles gegeben hatte. Und noch etwas: Es ist ja in Zeiten wie diesen (um dieses Klischee mal wieder zu bemühen) durchaus anerkennenswert, wenn das Publikum solide Qualität für sein Geld geboten bekommt. Bei Ben Harper ist das neben der Musik auch das Drumherum: Die Ticketpreise waren zivil und das Merchandising sogar erstaunlich: Die älteren CDs gab's für ganze 10 Euro, die T-Shirts ab 15 Euro und als besonderes Schmankerl für die, die 850 Euro übrig gehabt hätten, gab's eine von Cole Clark und Ben Harper gebaute Skateboard-Steel Gitarre. Das ist ein Gerät, auf dem man entweder Steel Gitarre spielen kann oder es andererseits als Skateboard verwendet - nun ja, es zählte zumindest mal der Gedanke. Vor der Show wurden die Leute dann noch mit Duftessenzen (!) und fernöstlicher Meditationsmusik eingestimmt. (Dafür war die Security und das Catering in der Halle alles andere als menschenfreundlich - womit aber Ben Harper nichts zu tun hatte). Wer Ben von früheren Touren her kennt, dem dürfte zunächst aufgefallen sein, dass sich das Hauptgewicht dramatisch verlagert hatte. Wo Ben früher über 2/3 der Show mit seiner Weißenborn-Gitarre auf dem Stuhl saß, griff er heute ganze zwei Mal nach seinem früheren Broterwerbs-Instrument (darunter bei der obligaten Zugabe von "Faded" mit "Whole Lotta Love"). Ansonsten spielte er abwechselnd akustische Gitarre oder elektrische Rhythmus-Gitarre. Alle Soli überließ er seinem neuen Side-Kick Marc Ford - was für einen deutlichen Schwenk in Richtung Rock stand - oder aber Juan Nelson am Bass. Das bedeutet: Ben Harper sieht sich heute mehr denn je als Songwriter denn als Gitarren-Gott. Aber in eine bestimmte Ecke drängen sollte man ihn lieber nicht, denn wie erklärte er uns noch vor kurzem im Interview: "Du musst mir schon erlauben alles zu sein, dann wirst du auch mit mir zufrieden sein". Und das war das Publikum auch. Mit leichter Hand dirigierte Ben die Massen im fast ausverkauften Palladium - und war dabei offensichtlich zuweilen von der allgemeinen Begeisterung so überrascht, als dass ihm nichts anderes einfiel, das Sing-Along mit rhythmischen "Yeahs" zu steuern. Die Show begann in Köln mit "Excuse Me Mister" und damit wurde auch gleich die Richtung vorgegeben. Abgesehen von den akustisch solo vorgetragenen Stücken im Zugabenteil gerieten alle Tracks zu spielfreudigen Jam-Sessions. Hier machen dann auch die auf Scheibe oft eher als nervend empfundenen Standard-Funk-Stücke Sinn. Noch besser funktioniert das Konzept aber, wenn dem Ganzen ein struktureller Masterplan zugrunde liegt. Bei "Diamonds On The Inside" z.B. bestand dieser in der subtilen Kombination von Rock-Power und Glockenspiel - darauf muss man erst mal kommen. Details wie diese ließen die Show aufleben. Bei tragisch schönen "Amen Omen", einem Stück, an dem Bens Herzblut zu hängen scheint, stand die bewusst rauhe und schrammelige Akustik-Gitarre im Zentrum, zu "So High So Low" hatte sich Harper ein neues Gitarren-Intro einfallen lassen, das er mit Marc Ford im Duett vortrug (übrigens das einzige des Abends!), bei "Burn One Down" wurde Leon Mobley an der Conga aktiv und beim in Köln vor der Zugabe plazierten "With My Own Two Hands" und Bob Marleys "War" durfte Keyboarder Jason Yates an der fetten Reggae Orgel agieren. Apropos Reggae: Bei "Hands" war ja bei den Aufnahmen der legendäre Bunny Wailer zugegen, was das Stück natürlich gewissermaßen adelt. Aber selbst ohne dieses spielt Ben Harper den Reggae wie heutzutage kaum ein zweiter. Beinahe beängstigend in diesem Zusammenhang ist indes die Tatsache, dass er - die richtige Beleuchtung und den richtigen Blickwinkel vorausgesetzt - zuweilen auch aussieht wie der große Meister! Und dann tanzte er zum Ausklang auch noch mit umgehängter Gitarre auf der Bühne herum. Wie gesagt: Beinahe beängstigend!

Womit jetzt aber keineswegs festgeschrieben werden soll, dass dieses Harper Konzert eine Reggae-Show war: Auch dies ist nur eine der vielen Facetten des Ben. In Köln gab's dann ebenfalls im Solo-Teil "Another Lonely Day" und auch das auf's existenzialistische Grundmaß zurückgestutzte "I Shall Not Walk Alone". Alles was recht ist: Das war dann angesichts von 4 000 Zuschauern, von denen ca. die Hälfte nichts sehen konnte, etwas zu viel des Guten: Hier war die Aufmerksamkeit zu diesem Zeitpunkt nicht mehr besonders groß. Was sich natürlich mit der Zugabe änderte. Und als die letzten Feedbacks von "Whole Lotta Love" verklungen waren, wurden die Massen effektiv und zügig aus der Halle gekehrt - immerhin im Bewusstsein, ein wirklich gutes und lohnendes Konzerterlebnis hinter sich zu haben. Wenn man denn etwas anmeckern dürfte, dann wäre das, dass Harper "Sexual Healing", "War" und "Whole Lotta Love" auch schon bei früheren Gelegenheiten gecovert hatte. Da sollten sich doch wohl auch noch andere Stücke finden lassen, oder?

Ben Harper
NACHGEHAKT BEI: BEN HARPER

Obwohl Ben Harper bei dieser Show in Köln nun wirklich hart gearbeitet hatte und soeben ein 2,5 Stunden langes Set absolviert hatte, erklärte er sich bereit, nach der Show ein "Meet & Greet" über sich ergehen zu lassen. Das ist - vom Konsumentenstandpunkt aus gesehen - etwa zwei Stufen höher anzusetzen, als z.B. ein VIP-Lounge-Pass. Man bekommt hier zwar nichts zu trinken, hat aber immerhin die Möglichkeit hat, mit dem Künstler ein paar Worte zu reden. Was ganz nützlich sein kann, wenn ansonsten keine Interviews möglich sind.

"He, Mann, gut dich zu sehen", sind Bens erste Worte, "es ist gut, endlich mal ein bekanntes Gesicht zu sehen, das macht schon einen Unterschied, wenn man so lange auf Tour ist." Hierzu muss man wissen, dass das Interview, auf das Ben hier anspielt, nun auch schon wieder ein halbes Jahr zurückliegt und Ben gewiss viele Interviews gibt. Aber er ist eben auch ein Mann mit einem nahezu photographischen Gedächtnis. Als ihn z.B. ein Kollege, mit dem er auch gesprochen hatte, fragt, ob er denn mal nachgeschaut habe, wie groß Texas sei (wohl ein Detail aus diesem Gespräch), meinte Ben, dass es in dem Gespräch nicht um Texas sondern um Kalifornien gegangen sei - und ja, er habe das nachgeschaut. Will meinen: Da muss man aufpassen, was man sagt. Wie ihm denn das Konzert als solches gefallen habe, wollen wir wissen. "Oh, das war großartig", meint er erfreut, "das Publikum ging sehr gut mit. Das ging durch die ganze Halle. Obwohl, man konnte mich wohl nicht so gut sehen, oder?" Das stimmt wohl: Das Palladium ist eine Art langer Schlauch, in dem die Hälfte der Sicht durch Säulen verbaut wird und der Blick von der Galerie nur mit verrenkten Hälsen möglich ist - was Ben eigenhälsig überprüft. Woran erinnert sich jemand wie Ben Harper eigentlich nach einer solchen Show oder nach einer Tour? "An die Musik", antwortet er wie aus der Pistole geschossen. Das ist nicht verwunderlich: Jedes zweite Wort, das Ben Harper verwendet, ist "Musik". Dann überlegt er noch einen Moment und fügt hinzu: "An die Atmosphäre, an Gesichter, an Gespräche wie diese, an kleine Nuancen. Ich bin manchmal selbst erstaunt, was man alles aufschnappt, wenn man auf Tour ist - außer den Erinnerungen an die Hotelzimmer, meine ich, die gibt's sowieso." Und wie geht's jetzt musikalisch weiter? Es war ja im Gespräch, dass Ben zusammen mit seiner Mutter eine CD aufnehmen wollte. "Das Projekt ist definitiv noch im grünen Bereich", meint Ben, "sie schreibt noch an ihren Stücken und ich an meinen. Zunächst möchte ich aber mit der jetzigen Band ins Studio und zwar gleich nach der Tour, um die Energie einzufangen. Mit denen möchte ich eine neue CD mit neuen Stücken aufnehmen. Danach wird es dann die CD mit meiner Mutter geben." Auf das Thema des Abends kommt Ben dann selber: Ein Kollege macht noch schnell ein Interview und fragt ihn - wohl am Beispiel der wenigen diesbezüglichen direkten Titel wie "Excuse Me Mister" - warum er denn nicht politisch aktiver sei. Uns erklärte er das einmal so, dass er darin nicht seine Aufgabe sähe. Hier fällt ihm jedoch eine bessere Antwort ein, die so ganz das Ying zum Yang des Ben Harper ist. "Musik", antwortet er durchaus ernsthaft, "Musik ist doch Politik."

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Surfempfehlung:
www.benharper.com
Konzert: -Christian Spieß (HH) / Ullrich Maurer (K)-
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-


 
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