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Konzert-Bericht
 
Vorfreude auf einen langen Winter

The Long Winters

Münster, Gleis 22
16.11.2003

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The Long Winters
Was für eine Band! Schon vor dem offiziellen Beginn ihrer Show hatten The Long Winters bei ihrem Auftritt in Münster die Sympathien aller auf ihrer Seite. Schließlich muss man eine Band einfach lieben, die am Merchandise-Stand sitzt, ihre Devotionalien selbst verkauft und dabei lauthals und fehlerfrei sämtliche Postal-Service-Songs mitsingt, die über die PA laufen! Eine Band, die den Line-Check vor ihrem Auftritt absolviert, indem sie (ebenfalls perfekt) zu "Killian's Red" von Nada Surf mitspielt, das zeitgleich über die Hausanlage läuft! Eine Band, die schon vor dem ersten Song ihr Publikum schelmisch darauf hinweist, dass dies nicht nur ihre erste Show in Münster, sondern sogar ihre allererste Show im gesamten Münsterland sei!
Damit hatten die Long Winters schon früh die Lacher auf ihrer Seite, und auch wenn sie - wie schon bei ihrem Auftritt in Köln im August - auch im Comedy-Segment richtig abräumten, lieferten sie doch vor allem eine grandiose musikalische Vorstellung ab. Los ging's gleich mit "Carparts" vom leider hierzulande nicht offiziell erhältlichen Debüt "The Worst You Can Do Is Harm", das gleich zu Beginn alles bot, was die Long Winters ausmacht: Die Energie ihrer Power-Pop-Hymnen, den wunderbaren Harmoniegesang, der andernorts bereits (berechtigte) Vergleiche mit Simon & Garfunkel aufkommen ließ, den Spaß, den die Band beim Spielen hat, und die großartigen Textzeilen ("I leave you all of my carparts, I didn't have the money or I would've gotten roses"), die sich in jedem Song des Quartetts wiederfinden. Drummer Michael Shilling, der zusammen mit Bassist Eric Corson die Band komplettiert, übertrieb es mit der Härte beim ersten Song allerdings etwas. Dem Stück hat das zwar nicht geschadet, dafür aber seiner Hand. Jedenfalls spritzte das Blut, und kurz nach Beginn war bereits die erste Behandlungsunterbrechung fällig. Während John seinen trommelnden Kollegen verpflasterte, konnte sich Sean allerdings nicht die Bemerkung verkneifen, dass es auch in Deutschland verboten sei, sich ohne abgeschlossenes Studium als Arzt zu betätigen!

Doch auch mit einem leicht angeschlagenen Schlagzeuger war das kurze Set der Band reich an Höhepunkten. "Scared Straight" etwa klang auf der Bühne zwar weniger poppig als auf der Platte, konnte aber auch ohne die bei der Albumversion eingesetzten Gäste voll überzeugen. Und "It'll Be A Breeze", auf "When I Pretend To Fall" in einer Soloversion von John zu hören, wurde in Münster zu einem wunderbaren Duett zwischen ihm und Sean, der seine wunderschönen Harmonien übrigens lässig mit einem Arm an die Wand gestützt sang, als wollte er sagen: "Wenn man wie ich singen kann, braucht man auf die richtige Körperhaltung beim Singen nicht zu achten!" Nach zwei kurzen Abstechern zum ersten Album ("Das Album ist leider hier in Deutschland nicht erhältlich, das hat mit der Außenhandelsbilanz zu tun, die sonst aus dem Gleichgewicht kommt, aber wir haben für euch einige Exemplare ins Land geschmuggelt, die wir nachher verkaufen!") stand eine Coverversion auf der Setlist, und um nichts falsch zu machen, fragte John das Publikum, wie es denn mit der Liebe zu Madonna in Münster so stünde. Die Reaktionen waren äußerst mager, vermutlich, weil so mancher vermutete, dass es sich um eine Fangfrage handeln könnte. Selbst die Nachfrage, ob sich denn zumindest jemand für Madonnas Songs, ihre Filme oder ihre, ähm, Bücher (!) erwärmen könnte, sorgte nur für verlegenes Gelächter, doch fünf Minuten später tobte dann der Saal, denn The Long Winters hatten sich gerade durch eine durch und durch großartige Version von Madonnas "Don't Tell Me" gerockt, die selbst den größten Maddie-Hasser noch überzeugt hätte. Ganz so sicher, ob der Song für Münster die richtige Wahl gewesen ist, war sich John allerdings wohl nicht, und so hängte er gleich noch einen weiteren Klassiker aus fremder Feder dran: Lynyrd Skynyrds "Sweet Home Alabama". Allerspätestens da waren Band und Publikum auf Betriebstemperatur, also gab es gleich auch noch Van Halens "Hot For Teacher" inklusive Tapping-Solo à la Eddie van Halen! Nach der Power-Pop-Hymne "New Girl" (auf die garantiert selbst ein Großmeister wie Bob Pollard von Guided By Voices neidisch ist), hätte dann Schluss sein sollen, doch ohne Zugabe durften sich die vier Herren aus Seattle natürlich nicht verabschieden. "Wir spielen noch genau zwei Songs", erklärte John bei seiner Rückkehr auf die Bühne, nur um den Plan noch einmal spontan über den Haufen zu werfen: "Nee, wir spielen zwei Songs UND EINEN BLUES als Zugabe!" Also wurde erst einmal Muddy Waters "Mannish Boy" (den älteren Semestern vielleicht noch aus einer 501-Werbung Ende der 80er im Ohr) mit Sean am Mikro intoniert, in das John unglaublicherweise ein weiteres Tapping-Solo einbaute, bevor die vier dann mit dem ohrwurmigen Popsong "Shapes" auf's große Finale zusteuerten. Neben den erwähnten Covers hatten die Long Winters nämlich auch noch kurze Reggae- und Jazz-Improvisationen gespielt (die in natura witziger waren, als es nun auf dem Papier vielleicht den Anschein erweckt), deshalb gab es ganz zum Schluss nur noch eine Stilart, die das Quartett noch nicht abgedeckt hatte: Grunge!

Also gab es kurz nach Mitternacht - mit dem Hinweis, dass sie den folgenden Song nur spielen würden, wenn das Publikum ihn wirklich hören möchte, denn jedes Mal, wenn sie ihn spielten, würde ein Stückchen in ihnen sterben (!) - noch eine ebenso gelungene wie witzige Version von Soundgardens "Outshined", bei der Sean nicht nur Schreihals Chris Cornell äußerst überzeugend imitierte, sondern sich am liebsten gleich noch unter die - leider zu niedrige - Deckenkonstruktion des Gleis 22 gehängt hätte, um à la Eddie Vedder über die Bühne zu turnen. So viel Show war allerdings gar nicht nötig, denn auch wenn die Long Winters einmal mehr ihre Qualitäten als Entertainer unter Beweis gestellt hatten (und in diesem Punkt den Spitzenauftritt beim Showcase in Köln vor einigen Monaten noch zu toppen wussten), ist die beste Nachricht doch die, dass The Long Winters auch musikalisch über jeden Zweifel erhaben sind. Hoffentlich wird's wirklich ein langer Winter!

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Surfempfehlung:
www.thelongwinters.com
Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-


 
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