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Konzert-Bericht
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Emo all night
Pernice Brothers
The Belles
London, Islington Academy 16.03.2004
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Sechs Wochen waren The Belles aus Lawrence, Kansas, in der alten Welt unterwegs, standen fast jeden Abend irgendwo auf der Bühne und flogen für Interviews durch halb Europa. An diesem Abend endete der anderthalbmonatige Abenteuerurlaub für Gitarrist / Sänger Chris, Drummer Jake und ihren Gast an den Tasten mit einem wunderbaren Konzert in der kleinen, aber feinen Islingtoner Academy. "I'm gonna be 'emo' all night", witzelte Chris dann auch gleich zu Beginn, denn an diesem Abend hatten sich nicht nur einige (neue) britische Fans der Band eingefunden, sondern auch einige alte und neue Freunde aus Italien, Deutschland und den USA, die Chris dann auch ausführlich von der Bühne herab begrüßte. Die Songs stammten - mit Ausnahme eines brandneuen Stücks - von "Omertà", dem feinen Debütalbum der Belles, das in der Gaesteliste.de-Redaktion schon Vergleiche mit den Pernice Brothers inspirierte und in seinen besten Momenten sogar auf Go-Betweens-Terrain vorzudringen weiß. Akustisch-melancholische Popmusik also, eingängig, aber nicht vorhersehbar. Beste Beispiele dafür waren "You Can't Have It All" (von dem sich Coldplay noch eine Scheibe abschneiden könnten) und der letzte Song des Sets, die grandiose Single "Never Said Anything". Nach der Show erzählte uns Chris, dass er irgendwie doch froh sei, jetzt nach Hause fliegen zu können, denn seine Stimme hätte für kein einziges weiteres Konzert mehr gehalten. Und: Nach einer wohlverdienten Pause wollen The Belles im Juli und August nach Europa, und dann hoffentlich auch nach Deutschland, zurückkommen.
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Joe Pernice bewies danach, dass seine großartigen Texte nicht von ungefähr kommen und zeigte neben seinem unglaublichen Talent als Songschreiber auch Format als Stand-Up-Comedian. Obwohl "Stand-Up" so eine Sache ist, denn die vier Pernice Brothers (auf dieser Tournee neben Chef Joe noch Peyton Pinkerton an der Stromgitarre plus die aus England stammenden Gebrüder James und Robert Walbourne an Keyboard / Slidegitarre bzw. einem nur aus Snare und Tamburine bestehenden Schlagzeug) hatten es sich allesamt der niedrigen Bühne auf Stühlen bequem gemacht, so dass außer den ersten drei Reihen niemand der ca. 300 Leute die Band auch nur annähernd sehen konnte. "Steh auf!" kam dann auch früh der erste Zwischenruf, den Joe cool mit: "Geht nicht, ich hab einen schlimmen Krampf" konterte, bevor er lächelnd anfügte: "Vielleicht sollte ich mir ein paar Telefonbücher unterlegen! Wir dachten, das wird heute eine intime Veranstaltung!" Und auch wenn die mangelnde Sicht noch für so manchen spaßigen Zwischenruf (Zuschauer: "Ich hab dich gesehen, ich hab dich gesehen!") sorgte und Joe nach einigen Songs aufstand, um artig einen Diener zu machen, war doch der Ärger über die nicht ganz idealen Umstände in dem Moment wie weggeblasen, als Joe und die Seinen gleich zu Beginn zu "Working Girls (Sunlight Shines)" ansetzten und damit ein stets mitreißendes Konzert begannen, das reich an Highlights war. "Water Ban" zum Beispiel gelang auf der Bühne noch eindringlicher als auf der wunderschönen letzten LP "Yours, Mine And Ours" und gab zudem Gitarrist James Walbourne die Gelegenheit, sich als sensationeller Slide-Gitarrist zu outen. Und dafür, dass sein jüngerer Brudert Robert eine Woche vorher noch nichts von seinem Glück ahnte, mit den PB auf Tour zu gehen, machte er seine Sache auch sehr ordentlich.
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Die zurückgenommene, halbakustische Instrumentierung hielt Joe übrigens keinesfalls davon ab, eine ganze Reihe Songs aus dem reich orchestrierten Album "The World Won't End" zu spielen. "The Ballad Of Björn Borg" litt leider etwas unter technischen Problemen, doch "Our Time Has Passed" ließ nicht nur den Zuschauer neben uns von einer Verzückung in die nächste fallen. Überhaupt war das Set sehr gut getimt. Denn neben erwarteten Nummern wie "Baby In Two" aus dem neuen Album gab es Songs aus Joes Soloalbum "Big Tobacco" ("Prince Valium" zum Beispiel), und auch einige "Oldies" wie "Monkey Suit" und die einzige verbleibende Nummer von Joes alter Band Scud Mountain Boys ("Grudge Fuck") hatten sich ins Programm geschlichen. Fast noch schöner als die über jeden Zweifel erhabenen Songs der Band aus Massachusetts war allerdings die Leichtigkeit, mit der sie ihre perfekten Popsongs an diesem Abend zelebrierten. Fazit? Für The Belles war es das emotionale Finale einer langen Europatournee, für die Pernice Brothers "nur" ein weiterer Triumphzug in London und für euren Korrespondenten die bestangelegten 12 Pfund Eintritt seit langem. Warum gibt es solche Konzerte eigentlich nicht in Deutschland?
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Surfempfehlung:
www.pernicebrothers.com
www.thebelles.com
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Text: -Carsten Wohlfeld- Fotos: -Jörg Conrad-
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