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Mutter Courage und ihr Knecht Matti

The Dresden Dolls

Rees-Haldern, Alter Reitplatz Schweckhorst
07.08.2004

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The Dresden Dolls
Man muss ja nicht unbedingt das Gejammere über die Musikbranche mittragen, aber wenn man denn schon etwas bemängeln möchte, dann sind es im Zeitalter von Retro und Revival doch am ehesten fehlende Visionen. Genau davon aber haben Amanda Palmer und Brian Viglione, die zusammen das anarchistisch / epische Musiktheater Duo The Dresden Dolls bilden, wahrlich mehr als genug. Beim diesjährigen Haldern Festival gaben sich die in Boston ansässigen Künstler die Ehre, nach Abschluss des offiziellen Festivalprogrammes im sogenannten Spiegelzelt ihr Deutschland-Debüt hinzulegen. Der temporäre Rundbau direkt neben dem Festivalgelände gab dafür einen pittoresken, überaus passenden Rahmen ab.
Wo andere sich in der gepflegten Variation des immer Gleichen ergehen, kann es Amanda und Brian gar nicht extrem genug sein. Bewaffnet lediglich mit Piano, Schlagzeug, ein wenig akustischer Gitarre - aber jeder Menge Elan, Mutterwitz, Provokation und einem ganz speziellen Geschichtsverständnis schaffen die Dresden Dolls, was anderen nicht mal mit einer eigenen Fernsehshow gelingt: Zu überraschen, zu verblüffen, zu provozieren und vor allen Dingen zu unterhalten. Zugegeben: Auch die Dresden Dolls haben das, was sie da treiben, nicht unbedingt selbst erfunden, aber sie machen das Bestmögliche daraus. Traditionen verpflichtet, die heutzutage beinahe schon wieder in Vergessenheit geraten sind - Vaudeville, Chanson, Music-Hall, Erzähltheater und Kabarett sowie eine gehörige Prise Rock'n'Roll, um nur einige zu nennen - kreieren sich Amanda und Brian, schrill geschminkt und jedes Quentchen Dramatik aus der Performance herauskitzelnd, ihre ganz eigene, meschuggene Wunderwelt. Amanda ist dabei die luderhafte Femme Fatale, das doppelte Lottchen in einer Person, die Revoluzzerin, die Punkerin und ganz klar auch der Käpt'n an Bord. Brian Viglione, der sich als bestmöglicher Supporter versteht, ist ihr dabei der Weißclown, Stichwortgeber und zugleich der Conferencier und Vermittler zum Publikum. Die weiß getünchten Gesichter sollen übrigens keine Masken sein, hinter denen sich die Menschen Palmer und Viglione verstecken, sondern diese vielmehr - im Gegenteil - ein bisschen größer als das Leben machen - was sinnvoll erscheint.

Zugegeben: das hört sich alles sehr komplex an und ist es irgendwie auch - vielschichtig und -deutig und ein wenig gefährlich, wie man das von intelligenter Kunst erwartet -, aber eben auch immens unterhaltend. Die Dresden Dolls wollen provozieren und schaffen das auch mühelos - allerdings nicht auf eine besserwisserisch / popanzige Art, sondern irgendwie auch - trotz aller Theatralik - nachvollziehbar. Das liegt unter anderem an der traumwandlerischen Sicherheit, mit der sich die beiden musikalisch ergänzen, belauern und aufeinander eingehen. Da wird improvisiert und in jeder Art über die Stränge geschlagen, dass es eine reine Freude ist. Wenn mal das Piano vor lauter Begeisterung aus den Fugen gerät, wird das als Element halt mit in die Show eingebaut und dazu fliegen die geborstenen Drumsticks durch die Gegend als kosteten diese nix. Nein, fehlenden Einsatz kann man den Dresden Dolls wahrlich nicht vorwerfen. Musikalisch gibt es hämmernde, polternde Full-Frontal-Attack komplett. Wesentlich druckvoller und drängender als auf der dann fast schon wieder verspielt klingenden kommenden Debüt-CD gehen die Dresden Dolls zu Sache - und definieren sich dann doch über drei überraschende Cover-Versionen. Da gibt es - den auch in der Namensgebung angedeuteten Weimarer Wurzeln huldigend - Brecht / Weills "Soldatenbraut" in passablem Deutsch (Amanda spricht es recht gut), dann eine wahrlich abenteuerliche Version von Black Sabbaths "War Pigs" ("Los jetzt, das könnt ihr doch besser!" ermuntert Brian das Publikum als einige Buh-Rufe ertönen, nachdem Amanda den Song Bush & Co. gewidmet hat) und als krönenden Abschluss eine hinreißende Interpretation von Brels "Amsterdam", die Amanda zu Brians Gitarren-Begleitung so verderbt und verrucht hinrotzt als gäbe es eh kein Morgen mehr. Nihilismus pur ist das. Sollte das alles etwas verwirrend und widersprüchlich wirken, so ist das Teil des Konzeptes, denn DUALITÄT wird großgeschrieben bei den Dresden Dolls. Wenn man dieses Jahr nur eine Band entdecken möchte, dann sollte man diese hernehmen!

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Surfempfehlung:
www.dresdendolls.com
Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-


 
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