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Konzert-Bericht
 
Auf der Suche nach der Setlist

Giant Sand
Thalia Zedek

Duisburg, Hundertmeister/ München, Hansa 39
09.10.2004/ 17.10.2004

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Giant Sand
Das Konzert war schon halb vorbei, als Howe Gelb das Publikum grinsend fragte: "Wo ist eigentlich die Setlist?" Das war natürlich ironisch gemeint, schließlich sind Giant Sand seit Jahren bekannt dafür, dass sie ohne vorher festgelegtes Programm auf der Bühne stehen, doch an diesem Abend war der Ruf nach ein bisschen mehr Struktur dennoch nicht ganz unberechtigt. "Das Set ist irgendwo da draußen", fügte Gelb noch hinzu und begab sich in der zweiten Hälfte des fast zweieinhalb Stunden dauernden Auftritts dann vermehrt auf die Suche nach Songs, die dem Publikum vertraut waren.
Zunächst jedoch hatte Thalia Zedek auf der Bühne des Hundertmeisters gestanden. In der ungewöhnlichen, aber für sie inzwischen erprobten Besetzung mit Stromgitarre, Viola und Schlagzeug präsentierte sie in erster Linie Songs ihres neuen Albums "Trust Not Those In Whom Without Some Touch Of Madness" und konnte damit restlos begeistern. Wie es ihr gelang, mit tieftraurigen Songs trotzdem zum Licht am Ende des Tunnels vorzustoßen und dabei - trotz unverkennbarer Parallelen zu The Velvet Underground und Patti Smith - unglaublich eigenständig zu klingen, war schon beachtlich. Nach dem frühen Highlight "Sailor" hätte nach "Hell Is In Hello" (mit einem Feedback-durchtränkten Mittelteil, der live noch um einiges bedrohlicher klang als auf der LP) Schluss sein sollen, doch für eine letzte Nummer, die klang wie aus einer 30er-Jahre-Cabaret-Show, holte Zedek noch einen "Special Guest" auf die Bühne und gab so Howe Gelb am Piano die Chance zu beweisen, dass er auch ein Ensemblespieler sein kann.

Nach einer kurzen Pause standen dann also Giant Sand auf der Bühne. Oder besser gesagt das, was Gelb heute darunter versteht. Zur aktuellen Besetzung gehören - wie schon auf dem geradezu überraschend guten neuen Album - die Dänen Anders Pedersen an Lapsteel, Mandoline und Gitarre, Thoger Lund am Bass und Peter Dombernowsky am Schlagzeug, und das, obwohl Gelb uns noch vor zwei Jahren gesagt hatte, ohne die zu Calexico abgewanderten John Convertino und Joe Burns würde es wohl keine Giant-Sand-Platte, sondern nur noch Solowerke von ihm geben. Inzwischen allerdings ist seine Enttäuschung über den Ausstieg der zwei doch wohl größer als der Respekt vor der gemeinsamen Leistung. Ein bisschen durfte man deshalb das Gefühl haben, dass es Giant Sand unter anderem auch deshalb wieder gibt, um den Abtrünnigen zu beweisen, dass es auch ohne sie geht. Ein gelungenes Unterfangen? Jein, denn an diesem Abend setzten Gelb und seine Mitstreiter den aktuellen Albumtitel "Giant Sand Is All Over… The Map" mitunter etwas zu wörtlich in die Tat um. Dass es sich bei den Musikern um Könner handelt, steht außer Frage, so virtuos wie die alte Rhythmusgruppe sind sie allerdings längst nicht, und auch das Zusammenspiel klappte (verständlicherweise) noch nicht so reibungslos. Davon ließ sich leider auch Gelb etwas anstecken, der zwar viel lachte und mit dem Publikum herumalberte, sich aber gleichzeitig ungewohnt oft verspielte und viel mit der Technik haderte, anstatt kleine Pannen - wie bei früheren Auftritten - einfach zu überspielen. Überhaupt gab sich Gelb technisch recht ambitioniert. Nicht nur auf seine kabellose Bühnentechnik war er mächtig stolz (wenngleich ihn einige den Dienst versagende Batterien vor neue Probleme stellten), über eine Leinwand wurden teilweise Videos zu den neuen Songs eingespielt, und auch einen alten Fernsehauftritt von Gelbs langjährigem Weggefährten, dem 1997 verstorbenen Rainer Ptacek, gab es zu sehen.

Richtig gut waren die vier, wenn es darum ging, heftig zu rocken - bei "NYC Of Time", "Remote" oder bei "Flying Around The Sun At Remarkable Speed" zum Beispiel. Die großartigen ruhigen Momente, die die alte Inkarnation ebenso gut beherrscht hatte, kamen leider etwas zu kurz. Richtig warm gespielt, so schien es, hatten sich die vier Herren erst bei den Zugaben. Dort gab es dann sogar bereits einige Songs aus dem nächsten, für 2005 vorgesehenen Giant Sand-Werk (inklusive Publikums-Animation), die wesentlich strukturierter klangen als vieles, was wir davor zu hören bekommen hatten. Da hatte es nämlich ein fast nicht zu erkennendes "Trickle Down System" (als eine der wenigen ganz alten Nummern), ein ziemlich verhunztes "Shiver" und ein wunderschön als Klavierballade beginnendes, aber leider als recht zielloser Rocksong endendes "Blue Marble Girl" gegeben. Ganz zum Schluss mischte sich dann doch ein wenig Erleichterung unter den Applaus, als es mit "No Reply" noch einen letzten, wirklich gut gespielten Song aus dem Meisterwerk "Chore Of Enchantment" zu hören gab. Natürlich war es kein schlechter Auftritt, den Giant Sand im so gut wie ausverkauften Hundertmeister ablieferten, doch es war ein Konzert, das eine Band auf der Suche zeigte - und dabei stand sie zeitweilig ziemlich nah am Abgrund.

Ein paar Tage später in München wurde ein weitgehend deckungsgleiches Programm gespielt. Setliste gab es diesmal auch keine, das war aber nicht weiter problematisch, alles klappte vorzüglich. Die neuen Giant Sand waren sogar so gut, dass der Gig von Thalia Zedek - obschon mit reichlich schönen Augenblicken versehen - am Ende des Konzertabends vielen nur mehr in schemenhafter Erinnerung war. Das Feierwerk war rammelvoll, denn neben den Regulars hatte eine Vielzahl alter Fans den Weg in das Kulturzentrum gefunden. In Duisburg hatte sich Howe einen schicken Streifenanzug gekauft, den er nun stolz vorführte. Deutlich ergraut, in Würde gealtert mit seinen Fans.

Ein Heimspiel und Howe Gelb genoss es sichtlich. Behände hangelte er sich durch das Material der neuen Veröffentlichung und seine Band war stets versucht, ihm auf Schritt und Tritt zu folgen, was in den meisten Fällen auch gelang. Dennoch müssen an dieser Stele ein paar kritische Worte sein, denn die dänische Formation blieb stets Erfüllungsgehilfe und wagte sich nie aus dem Schatten der Lichtgestalt hinaus, der sie diente. Und das unterscheidet die sympathischen Herren von den Giant Sand mit Burns und Convertino. Überspitzt formuliert: Statt kongenialem Zusammenspiel gibt es einfühlsame Begleitung, statt gemeinsamem Voranschreiten treue Gefolgschaft, statt magischen Momenten immer wieder ein verunsichertes Grinsen. Wirklich gestört hat das niemanden, Howe war da und in Höchstform.

Zwei Stunden lang hing das Publikum an seinen Lippen, beklatschte seine Soli, amüsierte sich über seine ausufernden Ansagen und so manche reife Frau fiel dabei ins Teenager-Alter zurück. Egal, die Liebe beruht ja auf Gegenseitigkeit: "Es ist immer wieder schön, in München zu spielen, hier gibt es das beste Publikum überhaupt in Europa. München und Newcastle. Die sind sich sowieso ziemlich ähnlich, ihr habt da eine geheime Partnerstadt. Beide superadrett und ordentlich, kein Papierchen liegt auf dem Boden, aber immer wenn ich dort spiele, geben die Leute so richtig Gas. In Amerika gibt es so was praktisch nicht, außer in Kanada natürlich, aber das ist ein Sonderfall. Ich dachte früher immer, ich mag Neil Young, weil er Neil Young ist, aber nein, ich hatte mich getäuscht. In Kanada sind alle so arsch-cool." Howe war einfach gut drauf.

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Surfempfehlung:
www.giantsand.com
listen.to/thaliazedek
www.matadorrecords.com/thalia_zedek/
Text: -Carsten Wohlfeld (DUI) / Dirk Ducar (M)-
Foto: -Dirk Ducar-

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