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Konzert-Bericht
 
Mal ohne Sänger

Anti-Flag
Pipedown

Hamburg, Fabrik
24.02.2004

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Anti-Flag
Fabrik, 19.00 Uhr. Anti-Flag machen Soundcheck, spielen einige Songs, Tourmanager Tito gibt ein paar Anweisungen, die Band albert herum und eigentlich scheint alles normal zu sein. Eigentlich. Denn einer fehlt. "Justin ist im Bus und kotzt", sagt Anti-Flag-Drummer Pat Thetic im Gespräch mit Gaesteliste.de vor der Show. Justin ist nicht irgendwer, Justin ist Justin Sane, der Sänger von Anti-Flag. "Wir hoffen, dass er spielen kann. Aber wenn nicht, spielen wir eben als Trio, schließlich kommen die Kids, um eine Rockshow zu sehen. Es ist unser erstes Konzert der Tour, Justin hat also ein perfektes Timing." Galgenhumor deluxe. Als das Konzert wenige Stunden später beginnt, befindet sich der Vokalist schon im Krankenhaus. "Er ist einfach völlig erschöpft", erzählt Basser Chris #2 auf der Bühne. "Aber es ist zum Glück nichts ernstes."
"Mit Pipedown sind wir schon lange befreundet und auch schon mehrmals getourt", sagt Pat. "Es ist uns sehr wichtig, mit wem wir spielen. Nur die Mitglieder von Anti-Flag entscheiden, wer mit uns tourt, nicht irgendwelche Manager oder Marketing-Leute. Ohne Sympathie und die richtige Einstellung geht gar nichts." Also durften Pipedown eröffnen und machten ihre Sache auch recht ordentlich. Sie waren wie ein Flens. Irgendwie anders und irgendwie dunkel. AFI und Konsorten haben ihre Spuren hinterlassen, sowohl optisch als auch musikalisch. Pipedown boten eine halbe Stunde eine gute Show, hatten zum Teil sehr feine Songs zwischen Punk, Hardcore und eben Dunkelheit im Gepäck und mit Billy Idols "Rebell Yell" sogar ein ganz cooles Cover zum Abschluss. Und außerdem sollen sie ja auch recht nett sein...

Wenn der Sänger einer Band ausfällt, muss in der Regel auch das Konzert daran glauben. Oder kann sich jemand ein Chili Peppers-Konzert ohne Herrn Kiedis vorstellen? Oder NOFX ohne Fat Mike? Die Stones ohne Jagger gehen nicht. Anti-Flag funktionieren auch ohne ihren Sänger. Chris #2 übernahm einen Großteil der Vocals, was den Songs einen härteren Anstrich gab, die Nummern schielten schon fast in die Streetpunk-Ecke. Und trotzdem verloren sie weder an Charme und Schönheit, noch verfehlten sie ihre Wirkung. Die Fabrik glich innerhalb weniger Sekunden einem Tollhaus, die Bühne wurde von Divern überflutet und immer wieder griffen Fans zum Mikro, um Chris #2 zu unterstützen. Anti-Flag verzichteten größtenteils auf Anti-Bush-Parolen - in der Fabrik war eh keiner, den sie überzeugen mussten - und spielten stattdessen einen Querschnitt ihrer größten Hits, von "Got The Numbers" über "Underground Network" und "Die For The Government" (von einem Fan als "ultimativer Punksong" geadelt) bis zu neuen Nummern wie "Turncoat". Kurz: Es war fantastisch.


Anti-Flag Pat Thetic
NACHGEHAKT BEI: ANTI-FLAG

Während Pipedown ihren Soundcheck absolvierten, trafen wir Anti-Flag-Drummer und bekennenden Bush-Hasser Pat Thetic zum Interview und sprachen mit ihm über Festivals, Texte und natürlich Politik.

Pat: Für welches Magazin schreibst du?

GL: Gaesteliste.de

Pat: Ey, das ist ein cooler Name. Gefällt mir!

GL: Ist es möglich, ein Interview mit euch zu führen, ohne über Politik zu reden?

Pat: Sicherlich, aber ich fände es nicht gut (lacht). Gerade in Amerika versuchen wir in den Interviews bewusst das Thema auf die Politik zu lenken, weil wir es für sehr wichtig halten, über sie zu reden.

GL: Aber muss für einen Musiker doch irgendwie enttäuschend sein, wenn mehr Leute seine politische Meinung als seine Songs kennen.

Pat: Ja, das ist es. Aber es kümmert nicht. Mir geht es mehr um die Message.

GL: Ist denn ein toller Song mit einer tollen Melodie noch ein toller Song, wenn der Text schlecht ist?

Pat: Nein, das ist er nicht. Songs müssen mich ansprechen, die Lyrics müssen mich bewegen.

GL: Ist denn ein schlechter Song mit einer schlechten Melodie gut, wenn der Text gut ist?

Pat: Ich würde sagen ja. Es gibt so viele üble Songs, die ich mag, eben weil Leidenschaft und Herzblut in den Texten ist. Selbst die Stimme ist nicht so wichtig. Wenn einer nicht singen kann, aber gute Texte hat, find ich es gut.

GL: Was glaubst du, können Songs verändern?

Pat: Ich denke eine ganze Menge. Sie können Leute inspirieren, sich politisch zu informieren, nachzudenken und diese Chance sollte man nutzen.

GL: Wie reagierst du, wenn Leute zu dir kommen und sagen, dass sie nicht deiner Meinung sind?

Pat: Natürlich ist es mir lieber, wenn sie kommen und sagen, dass sie jetzt mehr wissen und dass sie unser Meinung sind. Aber wenn sie das nicht sind, reden wir mit ihnen, hören ihnen zu und versuchen, unseren Standpunkt zu erklären. Aus diesem Grund haben wir auch immer eine Menge Infostände auf unseren Konzerten, von Peta, von Anti-Kriegs-Organisationen. Wir wollen eben aufklären.

GL: Bei eurem letzten Konzert in Hamburg kam ein Arzt auf die Bühne, der über seine Arbeit im Irak sprach.

Pat: Ja, wer zu uns auf die Bühne kommen will, um zu reden, ist uns willkommen.

GL: Wie sähe denn euer Publikum aus, wenn du es dir selber aussuchen dürftest?

Pat: Ich würde gern mal vor George W. Bush, Dick Chaney und Gerhard Schröder spielen.

GL: Auch wenn wir schon Ende Februar haben, was ist dein Wunsch für dieses Jahr?

Pat: Dass Bush wieder gewählt wird...

Die Pipedown-Jungs aus dem Hintergrund: Das Bush wiedergewählt wird? Fuck you!

Pat: Nein, dass Bush nicht wieder gewählt wird, dass die US-Truppen den Irak verlassen, eine friedliche Stimmung zwischen den USA und Nordkorea...

GL: ...hast du auch persönliche Wünsche?

Pat: Dass das Wetter gut ist, wenn ich wieder zu hause bin, damit ich Motorrad fahren kann.

GL: Dann lass uns jetzt mal über Musik reden!

Pat: Oh ja, stimmt, verzeih.

GL: Was ist der Unterschied zwischen euch und den anderen Bands auf Fat Wreck.

Pat: Sie sind besser als wir. Nein, manche mag ich, andere nicht. Aber es ist ein cooles Label, die Leute kümmern sich um jede einzelne Band und sie haben die Möglichkeiten und das Geld. Man muss sich nicht dauernd erklären, warum man dieses oder jenes macht. Sie glauben an die Bands.

GL: Aber trotzdem kann man auf einem Major-Label mehr Leute erreichen.

Pat: Das ist sicherlich wahr. Und es wäre für mich auch kein Problem zu wechseln, wenn uns ein Major versichern könnte, dass wir alle Freiheiten hätten. Aber ob es so etwas gibt?

GL: Was denkst du über MTV?

Pat: Es hat die Videos und Bands im Würgegriff und eine Menge Kohle.

GL: Euer Video zu "Turncoat" läuft auf mtv.com.

Pat: Das ist krank oder? Frag mich nicht, was da passiert ist. Sie spielen uns nicht im Fernsehen, aber haben anscheinend beim Label angefragt. Ich bin zwar kein Freund von MTV, aber wenn so einige Kids auf uns aufmerksam werden, ist das okay für mich.

GL: Ihr spielt auf dem Hurricane- und Southisde-Festival mit Bands wie Placebo und David Bowie.

Pat: Wirklich? Das klingt seltsam. Ich habe keine Ahnung, mit welchen Bands wir auf den Festivals spielen. Vielleicht sollte ich das nächste Mal vorher schauen, mit wem wir auftreten (lacht).

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Surfempfehlung:
www.anti-flag.com
www.antiflag.de.vu
www.mtv.com/bands/az/anti_flag/artist.jhtml#
www.a-frecords.com
www.pipedown.net
Text: -Mathias Frank-
Fotos: -Mathias Frank-


 
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