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03.10.2024
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MIEKE MIAMI
Drei (plus drei!) Fragen an

Mieke Miami "Mehr Jazz, experimenteller, erwachsener, ist ja klar, bin ja auch älter", sagt Mike Miami, wenn man sie fragt, was den größten Unterschied zwischen ihrem just veröffentlichten dritten Album, "Birdland", und dem vor drei Jahren erschienenen Vorgänger "Montecarlo Magic" ausmacht. "Alles auf 'Birdland' wirkt magisch: Flötentöne perlen uüber geschmeidigen Keys, funky Basslines und bouncende Percussions unterfuüttern luxurioöse Bläser, und über allem tänzeln klare Vocals, die gerade im Understatement ihre elegante Wucht entfalten", hieß es bereits an anderer Stelle zur neuen Platte, und das ist nicht geflunkert. In diesen zwölf Songs lässt die Multiinstrumentalistin, Sängerin und Produzentin, die in Berlin Saxofon studiert hat, tatsächlich facettenreiche Einflüsse aus psychedelisch umspültem Jazz jenseits eines strikten Traditionalismus und sattem Retro-Soul-Vibes mit einem Hauch von Pop-Zeistgeist bruchlos zusammenfließen und begeistert dabei nicht nur mit eigenen Songs, sondern auch mit einer clever umgekrempelten Coverversion des Dusty-Springfield-Klassikers "Son Of A Preacher Man". Am 11. Oktober 2024 stellt Mieke Miami "Birdland" gemeinsam mit ihrer Band im Alten Stadtbad in ihrer Wahlheimat Luckenwalde auch live vor, zuvor allerdings nahm sie sich Zeit für unsere Fragen.

Du hast den Jazz schon im Teenageralter für dich entdeckt. Was hat dich damals daran angezogen?

Was mich genau angezogen hat, kann ich leider nicht beantworten. Was einen an Kunst anzieht, kann man nicht rational begründen. Als Teenager kam aber hinzu, dass ich auf der Suche nach der Wahrheit war und das Gefühl hatte, die Jazzmusiker*innen wissen etwas, ich muss nur genau hinhören. Ist ja auch so! Dadurch, dass ich gut mit dem Saxofon zurechtkam, konnte ich schon bald in Bands spielen, da lernt man dann ja auch andere Musiker*innen gleichen Alters kennen. Oder sogar älter - und cooler. Viel cooler als die meisten auf meiner Schule.

Du legst beim Spielen besonderen Wert auf Improvisation und die Kommunikation zwischen den Akteur*innen und verzichtest deshalb live auch bewusst auf Backing-Tracks…

Mit Jazzmusiker*innen kann alles Mögliche passieren. Überraschendes und Tolles, und jedenfalls nichts Schlimmes, selbst wenn mal jemand einen Fehler macht, weil wir ja alle improvisieren und zuhören können. Es gibt ja dieses irgendwie oft nicht so ganz verstandene Zitat von Miles Davis: "There are no wrong notes." Ich möchte mal hinzufügen: Es kommt halt darauf an, welchen Ton man nach der wrong note spielt: löst man die harmonische Spannung auf, oder verstärkt man sie absichtlich? Oder bricht man ab und rennt von der Bühne? Wie im Leben auch gibt es kein falsch oder richtig, es kommt nur darauf an, was du als Nächstes tust. Als Komponist*in hat man, wenn man mit Jazzharmonik vertraut ist, einfach eine unglaubliche Farbpalette zur Verfügung, und einfach von der Attitüde her: es muss nicht immer alles so eingepfercht oder in Schemata eingepasst sein.



Welche Musik hat dich im Entstehungsprozess von "Birdland" inspiriert?

Yusef Lateef, Duke Ellington, Alice Coltrane, random Country-Playlists, Filmmusik von Quincy Jones, Arrangements von Charles Stepney, so eine Moog Platte von Mort Garcon, "Music For Plants" heißt die. Ganz viel mehr noch. Alles, wo Streicher gut arrangiert sind, zieht mich sehr an. Ich möchte das auch gern mal machen.

Ob der Vielzahl an unterschiedlichen Einflüssen, die auf "Birdland" verschmelzen: Gab es Songs oder Parts, die dich gewissermaßen selbst überrascht haben? Bestimmte Ideen, von denen du im ersten Moment nicht gedacht hättest, dass sie sich in deine Musik würden einfügen können?

Ich finde das Stück "Parrots/Sweet Love" sehr überraschend und ungeplant. Ich hatte dafür eigentlich ein Arrangement für Jazzsextett geschrieben und das auch im Studio aufgenommen. Aber die Jungs haben das einfach zu gut gespielt, da ging ganz viel verloren im Vergleich mit meinen Demos, die ich nur als Skizzen hingerotzt hatte. Letztendlich haben mein Co-Produzent Benjamin Spitzmüller und ich dann alle Studioaufnahmen rausgeworfen außer der Intro, und die haben wir schneller gedreht. Dann haben wir diese komischen Demo-Spuren, die gar kein richtiges Timing haben, benutzt. Es war die Hölle, dazu die Bassline aufzunehmen! Dann haben wir Synthies und so seltsame Vocals aufgenommen. Daraus wurde eine ganz sonderbare kleine Nummer, noch dazu ein Medley mit dem Jazzstandard "Sweet Love Of Mine". Mir ist schon klar, dass der Song kein Hit auf Spotify wird, aber ich finde ihn den interessantesten Track auf dem Album.



Wonach suchst du, speziell textlich und inhaltlich in deinen Songs?

Die Texte fliegen mir auf ganz seltsame Art zu, indem ich zu der Musik (ich habe immer zuerst die Musik) Silben improvisiere. Das Schlüsselwort ist dann schon immer drin, das ist, als würde es schon in der Musik stecken. Wenn ich das habe, weiß ich eigentlich intuitiv auch schon, worum es geht. Für mich enthüllt sich dann, was in meinem Unterbewusstsein vor sich geht, das ist schon fast Therapie. Auf jeden Fall ist es immer sehr interessant für mich. Ich bin allerdings ein sehr privater Mensch, Direktheit ist nicht so mein Ding. Auf dem Album gibt es zwei Songs, "7 Miles To Jordan" und "Fire", die super persönlich sind. Die Texte sind aber so, dass man daraus nicht direkt schließen kann, worum es geht. Manchmal knüpfen sie z.B. an Träume an oder an Bilder, die ich schon mein Leben lang in mir trage. Es geht mir ja nicht darum, eine Message rüberzubringen. Beispielsweise gibt es auf meinem letzten Album "Montecarlo Magic" einen Song, der heißt "Californio". Mein Verleger hat in den liner notes dazu geschrieben, wie hell und hippiehaft der ist und dass er ihn an L.A. erinnert (ist ja auch logisch bei dem Titel). Ich komm aber aus Hamburg und bin mit dem schönen Seemannlied "Hamborger Veermaster" aufgewachsen, wo es im Refrain darum geht, dass es in Californio Gold gibt. Für mich ist mein Song deshalb dark und melancholisch. Es geht um enttäuschte Hoffnung, Sehnsucht und die Dunkelheit des Wassers. Es ist schön, wenn meine Musik bei jedem das anspricht, was angesprochen werden will. Übrigens gibt es auch die Kategorie Spaßtexte, wie "Bungalow", ich mach ja auch gern Quatsch. Oder von Literatur inspirierte Texte, wie das wirklich unverständlich gesungene "The Tiger And The Snake" (William Blake) und "Same River", das nur aus einem Satz besteht, den ich in einem Essay von Siri Huvstedt gelesen habe: "Time flows like water, but the river stays the same."

Zum Schluss: Was macht dich als Musikerin gerade besonders glücklich?

Glücklich gemacht hat mich in letzter Zeit eine kleine Jam Session mit meinem Mann (der auch in meiner Band spielt) und unserem achtjährigen Sohn, der wunderbar mit uns gegroovt hat. Das gemeinsame In-einen-Groove-Einlocken und Sich-Verzahnen, das gemeinsame Erschaffen bzw. Transportieren von Energie ist für mich eine Verbindung mit etwas Größerem. Wenn die Mitmusiker*innen offen sind, begegnet man einander auf einer anderen Ebene, wie in einem Raum, den man gemeinsam erschafft. Das ist schwer zu beschreiben, aber je mehr Menschen diese Erfahrung machen dürfen, umso besser für unseren Planeten. Glücklich macht mich deshalb auch, wenn ich sehe, dass meine Schüler*innen (ich unterrichte auch Saxofon) dieses Erlebnis beim Musikmachen mit anderen haben.

Interview: Carsten Wohlfeld
Foto: Dovile Sermokas

Record-Release-Konzert: 11.10.1024 Luckenwalde, Altes Stadtbad

 

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