Vor wenigen Tagen haben die Pigments aus Hamburg ihre neue selbstbetitelte Platte veröffentlicht, auf der sich Robin Helm, Stief Eschemann und Tim Auris durch Indie, Pop und Elektro spielen, durch Melancholie, Verträumtheit und Lebensfreude, durch eine wundervolle Vielfalt der Momente. Hier passiert was (und hier läuft das Video zu "Easy"). Hier sprechen sie. Wir haben der Band jetzt sechs und später zehn Fragen gestellt.
Drei Musikanten – eine schwierige oder ideale Menge an Menschen in einer Band?
Robin: Eigentlich ideal. Terminabsprachen gestalten sich relativ einfach und demokratische Abstimmungen sind immer eindeutig. Ich habe schon in Bands aller Größen gespielt - bis hin zur Big Band mit 21 Musikern. Und bei keiner anderen Anzahl an Menschen war es dermaßen unkompliziert, wie zu dritt.
Tim: Ich weiß nicht, ob es Zufall ist, aber bei uns gibt es keinen Bandleader. Bei größeren Bands entstehen andere Machtstrukturen, was auch immer eine Abwertung von musikalischen Ideen nach sich zieht. Es kann sein, dass du dir einen musikalischen Raum in einer Band mit vier, fünf oder mehr Mitgliedern oft hart erkämpfen und dich durchsetzen musst. Das erzeugt Reibung, Unzufriedenheit, Streit und endet nur allzu oft in Bandauflösungen. Wir alle kennen genügend Beispiele und haben auch selber diese Erfahrungen gemacht. Dieses Risiko ist in einem Trio deutlich geringer.
Ihr selbst sprecht in der Promo zum Album von einem "Dialog zwischen Mensch und Maschine" – wir werdet ihr das live umsetzen? Ihr spielt doch live, oder? Was dürfen wir da erwarten? Und wann?
Robin: Vor der Pandemie konnten wir noch ein paar Konzerte spielen, seither haben wir uns aber über den ganzen Globus verteilt und es steht leider noch in den Sternen, wann wir es das nächste Mal gemeinsam auf die Bühne schaffen werden. Die Sehnsucht danach ist auf jeden Fall groß. Seit der Bandgründung war die Idee der Band, komplett auf einen echten Schlagzeuger zu verzichten. Also stehen wir auf einer Bühne mit einem Drumcomputer, der außerdem auch eine komplett auf den Beat abgestimmte, aufwendige Lichtshow abfeuert. Dadurch; dass wir aber alles andere zu dritt mit unseren Instrumenten und Stimmen ergänzen, klingt das Ganze nicht nach einer mechanischen Techno-Performance, sondern eben wie eine echte Band.
Ihr sagtet auch: "Wir sind völlig außer uns, endlich unser Debütalbum veröffentlichen zu dürfen." Wieso ist es in heutigen Zeiten immer noch besonders oder wichtig, ein Album zu machen?
Robin: Es ist kein großes Geheimnis, dass das Format "Album" heutzutage nicht mehr so richtig zeitgemäß ist. Zumindest nicht, wenn man in den Maßstäben des Musik-Business denkt. Für uns ist das eine emotionale Entscheidung gewesen. Wir sind alle mit ikonischen Alben aufgewachsen und für uns war das schon immer die Art, wie wir Künstler*innen kennen gelernt und für uns entdeckt haben. Ein Album ist eben nicht einfach eine Aneinanderreihung von Songs, sondern ein großes Ganzes, mit vielen Facetten und Spannungsbögen. All das geht verloren, wenn man in kuratierten Playlisten immer nur einzelne Songs hört. Aus meiner Erfahrung machen sich aber die allermeisten Musiker*innen sehr viele Gedanken darüber, wie ihre Songs in Kontexten funktionieren und wie man die "Reise" der Hörenden gestaltet. Das wertschätzt man, indem man die Alben als Ganzes hört.
In welchen Formaten erscheint die Platte denn und wie hört ihr eigentlich am liebsten Musik?
Robin: Unser Album erscheint vorerst ausschließlich digital auf allen Streaming-Plattformen. Wir haben über Vinyl in Kleinstauflage nachgedacht, dazu ist aber die Nachfrage danach und unsere Reichweite noch nicht hoch genug. Eine Idee, die wir wieder aufgreifen werden, sobald man Live- Konzerte absehen kann.
Tim: Ich bin ein großer Fan von den Formaten Tiny Desk Concerts und KEXP-Live. Beide Formate haben eine grandiose Tontechnik. Tiny Desk ist die Königsdisziplin im Unplugged/Live-Bereich. Da kannste dich als MusikerIn nicht verstecken. Und KEXP kommt den MusikerInnen auf visueller Ebene unglaublich nahe.
Wie kam’s zum Deal mit popup-records und wie sind die so?
Robin: Eine liebe Freundin von mir arbeitet bei popup und ich hatte die Arbeit des Labels schon lange im Blick, da auch befreundete Künstler*innen regelmäßig darüber veröffentlichen. Alles absolute Herzensmenschen, für die die Musik an allererster Stelle steht. Man merkt, dass sie ihren Job mit Leidenschaft tun!
Wie findet ihr die Musikstadt Hamburg? Was gefällt euch, was nicht, was fehlt?
Robin: Was klar fehlt sind bessere städtische Förderangebote für junge Künstler*innen sowie ausreichend Proberäume. Bei so viel gewerblichen Leerstand möchte man ja meinen, dass es ein Leichtes sein müsste, kreative Räumlichkeiten für eine bezahlbare Miete anzubieten. Stattdessen müssen sich viele Bands in dunkle Bunkerverliese zusammenpferchen, die kalt, nass und teuer sind. Kultur sollte in der Gesellschaft und auch politisch einen höheren Stellenwert bekommen und Nachwuchs stärker gefördert werden. Da geht noch mehr!
Tim: Es gibt gute Orte für Live-Musik, auch wenn es immer weniger werden. Hamburg ist keine Stadt der großen Freiräume. War Hamburg noch nie. Vielleicht südlich der Elbe, aber wer fährt schon für das Konzert einer Indie-Band am Samstagabend nach Harburg?!
Interview: Mathias Frank
Foto: Christoph Eisenmenger