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29.10.2010
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Bob Dylan - The Witmark Demos (Bootleg Series Vol. 9) / The Best Of The Original Mono Recordings

Bob Dylan - The Witmark Demos (Bootleg Series Vol. 9) / The Best Of The Original Mono Recordings
Columbia/Legacy/Sony Music
Format: 2CD / CD

Nachdem es letztes Jahr gleich zwei neue Studioalben von Bob Dylan gab, muss dieses Jahr der Griff in die Archive reichen. Nachdem die letzte Ausgabe der "Bootleg Series" das letzte Jahrzehnt von Dylans Schaffen in den Fokus rückte, widmen sich die diesjährigen Veröffentlichungen der Frühphase des einzigartigen Künstlers. So erscheinen die bahnbrechenden ersten acht Alben Dylans nun erstmals in ihren ursprünglichen Mono-Versionen auf CD - in einer schicken (uns leider nicht vorliegenden) Box namens "The Original Mono Recordings". Die zusätzlich veröffentlichte Compilation "The Best Of The Original Mono Recordings" soll zwar einen Eindruck davon vermitteln, dass die ursprünglichen Mono-Versionen den oft nachträglich und ohne Zutun des Künstlers entstandenen Stereo-Versionen überlegen sind, krankt aber leider etwas daran, dass das Tracklisting praktisch mit dem der klassischen ersten "Greatest Hits"-Kopplung identisch ist. Und wer mag schon glauben, dass die klanglichen Unterschiede ausgerechnet bei den größten Hits am eklatantesten sind? Komplettisten dürfen bzw. müssen dennoch zugreifen, denn die Mono-Fassung des Non-LP-Klassikers "Positively 4th Street" gibt es nur hier.

Mit offiziell unveröffentlichtem Material wartet dagegen das Doppelalbum "The Witmark Demos" auf, denn die neunte Ausgabe der "Bootleg Series" widmet sich genau den Demos, die Dylan in der ersten Hälfte der 60er-Jahre in einem Hinterzimmer seines Verlages Witmark & Sons mit Gitarre, Klavier und Mundharmonika aufnahm - hier zusammengefasst in der gewohnt ansprechenden Verpackung und ergänzt um ein 60-seitiges, mit vielen seltenen Fotos und Manuskripten vollgestopftes Booklet. Dutzende von oft sehr rauen, aber dadurch auch ungemein authentischen Aufnahmen entstanden damals, viele davon wurden später in regulären Tonstudios nicht nur von Dylan für seine eigenen Platten neu eingespielt, sondern auch von Künstlern wie Joan Baez oder Peter, Paul And Mary aufgenommen, die damals - das kann man sich heute kaum mehr vorstellen - kommerziell deutlich erfolgreicher waren als Dylan selbst.

Dass die nun veröffentlichten 47 Demo-Aufnahmen schon seit Jahren als Raubpressungen kursieren und einzelne Highlights bereits auf früheren nicht monothematisch angelegten "Bootleg Series" erhältlich sind - darunter die besonders beeindruckenden Piano-Versionen von "When The Ship Comes In" und "The Times They Are A-Changin" -, tut der Freude über diese Veröffentlichung keinen Abbruch. Denn nicht die Stücke, die den späteren Studioversionen ähneln, machen diese Zusammenstellung hörenswert, sondern der informelle Charakter der Aufnahmeumgebung, die Dylan zum Beispiel vor "Boots Of Spanish Leather" lachend über die Bedeutung des Wortes "impose" sinnieren lässt oder das großartige "Let Me Die In My Footsteps" mit dem Kommentar "You want to put this on? 'Cause it's awful long... it's a drag, I sang it so many times" enden lässt. Letzteres ist rückblickend besonders amüsant, wenn man bedenkt, dass der Song nur wenige Monate in Dylans Programm war, während er manche seiner Songs inzwischen weit über 1000 Mal allein bei offiziellen Konzerten gespielt hat. Zu den Alternativ-Versionen bekannter Songs gesellen sich 15 bislang unbekannte Stücke - wenngleich sich darunter, vielleicht mit Ausnahme des 1974 verspätet für einige Konzerte zu Live-Ehren gekommene "Hero Blues", nicht wirklich verlorene Klassiker finden, wie das bei früheren "Bootleg Series" bisweilen der Fall war. Eingefleischte Dylanologen finden mit Songs wie der Traditional-Adaption "Farewell" dennoch genug Material für ihre Feldstudien.



-Simon Mahler-


 

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