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18.02.2002
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Fink - Letzter September

Fink - Letzter September
Normal/Glitterhouse
Format: CD

Flagstaff, Arizona. Ein billiges Motel am Stadtrand. Vor den schlecht isolierten Zimmern verläuft eine stark befahrene Straße. Dahinter ist eine Bahnstrecke, und die wird alle paar Minuten von Güterzügen frequentiert. Züge, die nicht enden wollen, die mehrere Minuten brauchen, bis sie endlich verschwinden, und die so schwer sind, dass sie das Motel zum Vibrieren bringen.

Deutschland, im Herbst 2001. Irgendeine Stadt, irgendein Club. Hier spielen Fink, die Vorzeigeformation Hamburgs. Eine Band, der es nicht einmal geschadet hat, mangels besserer Ideen ständig als deutschsprachige Country-Combo bezeichnet zu werden. Zum Glück hat sich das bei der cowboybehüteten und fransenbehosten Gemeinde nie herumgesprochen. Heute abend wird klargestellt, was für eine Bandbreite diese Band beherrscht. Da schmiegt sich das wunderschöne "Wenn du mich suchst" charmant aufgepoppt an, der paranoide "Messerkampf" findet in bester Jazz-Manier im Fahrstuhl zum Schafott statt, das sehnsüchtige "Irgendwann Regen" kommt locker angetänzelt, und "Diese Stelle", jener verzweifelte Versuch, sich mit dem Leben und all seinen Narben abzufinden, erdrückt einen geradezu mit dem Gewicht seiner Aussichtslosigkeit. Und ja, dann gibt es noch den aufgedrehten "Strich in den Tag", dessen Hillbilly-Flair sogar eingefleischte Rednecks zum Jodeln bringt. So viel Country muß sein, wenn man ständig aus jenem Fundus schöpft, den hundert Jahre amerikanischer Musikkultur hinterlassen haben. Wenn man alles inhaliert hat, was jemals an Schönheiten gekommen ist vom Blues aus Louisiana, vom Folk aus Tennesse und nicht zuletzt vom Wüstenrock aus Arizona, von dem, was rings um jene Bahnstrecke so geschaffen wurde. Und wenn man aus all dem eine ureigene Mischung kreiert, die sich souverän jeder Schublade entzieht.

Zurück nach Flagstaff. Wieder einmal donnert ein Güterzug vorbei. Den Kerl, der auf dem Motelbett liegt, stört das nicht weiter. In seinem Discman läuft "Fisch im Maul" von der Fink-CD "Letzter September", aufgenommen bei der im vergangenen Herbst absolvierten Tour. Gegen das markige Rumpeln dieses Songs hört sich der Zug da draußen an, als würde eine Draisine vorbeihuschen.



-Christian Zeiser-


 

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