Max Richter hat es wieder getan - und ein ebenso unwahrscheinliches, radikales und komplexes, wie auch zugängliches, selbsterklärendes und universelles Stück Musik mit inhatlichem und konzeptionellem Mehrwert fertig gestellt. Nach seinem multimedialen Geniestreich "Sleep" von 2015 (dessen Renaissance zeitgleich mit einer soeben neu aufgelegten App - mit der man die Bestandteile der Komposition nach eigenem Gusto zusammensetzen kann - gefeiert wird), erarbeitete er mit dem Album "Voices" ein weiteres Projekt, das sich jeglicher Kategorisierung entzieht. Zehn Jahre werkelte Richter nämlich nicht mehr oder nicht weniger als an der Vertonung der Menschenrechte. Genauer gesagt: Der Menschenrechtsproklamation von 1948. Der Text dieser Proklamation bildet dabei die Grundlage für die meisten Stücke auf dem Album - wofür Richter teilweise die Originalaufnahmen von Eleanor Roosevelt verwendet, ansonsten den Text von verschiedenen Interpreten in verschiedenen Sprachen rezitieren lässt.

Der musikalische Teil entstand dann unter Zuhilfenahme eines "auf den Kopf gestellten" Orchesters, das für dieses Projekt für zwölf Kontrabässe, 24 Cellos, sechs Bratschen, acht Geigen und eine Harfe umbesetzt wurde - sowie eines Chores, Solisten und natürlich der Keyboard-Arbeiten Richters auf organischer und elektronischer Basis. Wie üblich wurde das Projekt auf der visuellen Seite dabei von seiner künstlerischen Partnerin, der Filmemacherin Yulia Mahr begleitet. Es ist dabei faszinierend zu beobachten, wie Richter aus diesem prinzipiell staubtrockenen Konzept ein lebendiges, emotionales und kurzweiliges Musikstück fabriziert - und dabei (etwa vergleichbar mit dem Prozess, der zu Picassos Friedenstaube führte), die vielen Bestandteile auf einfache, klar strukturierte und ergo nachvollziehbare Grundelemente verdichtet.