Zusammen mit ihrer Schwester Ann bildet Nancy Wilson seit mehr als 45 Jahren das (man möge das Wortspiel entschuldigen) "Herz" der amerikanischen Mainstream-Rockband Heart. Nachdem sich die Schwestern wegen eines Vorfalls 2016 zerstritten hatten, gab es 2019 dann zwar noch mal eine Reunion-Tour - aber neues Material hat es von Heart schon lange nicht mehr gegeben. In diesem Sinne ist das nun vorliegende Solo-Album Nancy Wilsons (die stets ihm Schatten ihrer singenden Schwester gestanden hatte) wohl auch eine Art Befreiungsschlag, denn als Solo-Musikerin war Nancy Wilson bislang nur als Soundtrack-Komponistin für US-Regisseur Cameron Crowe tätig, mit dem sie von 1986 von 2010 verheiratet war - und in dieser Funktion hatte sie ja nicht gesungen.

Mit diesem Album kehrte sie - nach eigener Aussage - zu ihrem "College Girl Self" zurück und konzipierte das Ganze in ihrem kalifornischen Heimstudio als Lockdown-Projekt - allerdings mit tätiger Unterstützung einiger Schwergewichte wie Sammy Hagar, Duff McKagan oder Taylor Hawkins von den Foo Fighters. Das erklärt den für ein solches Projekt bemerkenswert soliden Rocksound, dem sich Wilson auch durch ihre bemerkenswert unsentimentalen und musikalisch interessant interpretierten Tribute an die verstorbenen Kollegen Layne Staley von Alice In Chains ("The Dragon") oder Eddie van Halen ("4 Edward") verpflichtet fühlt. Auf der anderen Seite stehen nachdenkliche, oft in Dialogform ausgeführte Folk-Balladen - und nicht zu vergessen Cover Versionen von Bruce Springsteen, Simon & Garfunkel, The Cranberries oder Pearl Jam. So gelingt Nancy Wilson - zwar mit einigen Dekaden Vorlaufzeit - etwas sehr ungewöhnliches: Eine musikalisch überzeugende, zeitlose Rockscheibe in Form eines sehr authentischen Stimmungsbildes mit unaufdringlicher biographischer Note.