Stellen wir mal eine steile These auf: "Ein fragiles System" ist das überzeugendste Rock-Debüt mit deutschen Texten seit "Monarchie und Alltag" von den Fehlfarben. Dabei spielt es keine Rolle, dass Bipolar Feminin aus Ebensee am Traunsee und später aus Wien kommen, mit Leni Ulrich eine kompetente Frontfrau im Angebot haben, weniger die politischen Institutionen als das systemisch Patriarchat anklagen und als Inspirationsquelle eher Tocotronic als die Fehlfarben bezeichnen (und sogar eine Hommage an Arne Zank im Angebot haben).

Die Parallelen sind dann eher musikalischer Natur, denn wie den Fehlfarben vor über 40 Jahren gelingt es Bipolar Feminin einen genialischen Mix aus Indie-Rock-Credibility und lockerer Zugänglichkeit zu realisieren (wenngleich auch ohne Disco-Referenzen). Und auch soundmäßig erinnert das von Produzent FAZO666FAZO in Szene gesetzte Werk, das dieser Tage auf dem Hamburger Label Buback Tonträger erscheint, an die vergangenen Zeiten. Alan Bangs sagte damals über das Album der Fehlfarben, dass dieses so souverän klänge, als hätte die Band überhaupt keine Probleme im Studio gehabt. Und genauso ist das auch bei Bipolar Feminin - was auch daran liegen mag, dass sich das Quartett über ihre mitreißenden Live-Konzerte bereits die notwendige Routine erspielt haben, dass Leni und ihre Jungs auch im Studio die Balance aus lässiger Routine, mächtig Druck und transparenter Dynamik scheinbar mühelos aus dem Ärmel schütteln können. Die gebrauchspoetisch ausformulierten Ermächtigungs-, Sozialkritik- und Selbstfindungslyrics werden dabei mit der notwendigen Ernsthaftigkeit und dem entsprechenden Nachdruck, aber ohne erhobenen Zeigefinger und vor allen Dingen unter Verzicht aller komödiantischen Aspekte intoniert. Mit Balladen haben es Bipolar Feminin zwar nicht so sehr ("Matrose" ist eher Blues als Torchsong und alle anderen balladesken Bemühungen steigern sich irgendwann zum orchestralem Malstrom) - aber wie Tocotronic es ausdrücken würden: "Let There Be Rock".