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02.08.2024
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Bill Callahan - Resucitate!

Bill Callahan - Resucitate!
Drag City/Indigo
Format: LP

Es gibt ja so einige offensichtliche Gründe dafür, ein Live-Album aufzunehmen - wovon aber die meisten eher nicht auf Bill Callahan zutreffen, denn der Meister gehört sicherlich nicht zu den Musikern, die in der musikalischen Kommunikation mit dem Publikum ihre künstlerische Erfüllung sehen. Es musste also etwas anderes gewesen sein, das ihn veranlasste, die 2023er Chicago-Show im Rahmen der Tour zu seinem 22er Album "Ytilaer" aufzeichnen zu lassen - und das hat mit den magischen Aspekten des Musizierens zu tun. Es ist nämlich so, dass ein Musiker, der seiner Berufung nicht aus zunächst kommerziellem Interesse nachgeht, nur eine mittelbare Möglichkeit hat, seine Songs zu steuern. Und die Songs des "Ytilaer"-Albums schienen eine Art von "Superpower" zu besitzen (wie Callahan resümiert), die sich darin äußerten, dass sie auf der Bühne ein Eigenleben entwickelten und stärker zu mutieren begannen, als es Callahan lieb war.

Callahans Entscheidung, diese Mutation dann durch diese Live-Aufnahme zu dokumentieren, hing damit zusammen, dass er sich selbst nicht weiterentwickeln konnte, bevor er nicht dem Eigenleben der besagten Tracks nachgegeben hätte. Mit anderen Worten: Die hier versammelten Tracks haben jetzt nicht mehr allzuviel mit den Studioversionen ihrer selbst zu tun. Das liegt daran, dass Callahan und seine Mitstreiter (Gitarrist Matt Kinsey, Drummer Jim White und Tenor-Saxophonist Dustin Laurenzi) sich hier in eher freistiligen, improvisierten Meditationen der Tracks ergehen und dabei das ursprüngliche Songformat sprengen. Insbesondere der Umstand, dass den Saxophon-Parts Laurenzis (und einem Gastslot von Nick Mazzarella am Tenor-Saxophon) eine prägende Bedeutung zukommt und die Sache sich zuweilen in Richtung einer avantgardistischen Jazz-Kakophonie entwickelt, lässt hier aufhorchen. In den lyrischeren Passagen etwa des mit viereinhalb Minuten kürzesten Tracks "Keep Some Steady Friends Around" erinnern Callahan dann an die versöhnlicheren Momente der seligen Van der Graaf Generator oder King Crimson. Mit anderen Worten: Nicht nur Callahan selbst, sondern auch der Hörer dürfte hier die eine oder andere Überraschung erleben.


-Ullrich Maurer-


 

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