Natürlich wusste man auch bei uns im Westen, dass die Musikszene der späten DDR nicht nur aus Silly, den Puhdys oder der Renft Combo bestand. Man hatte zumindest vom legendären Magnetbanduntergrund, von Bands wie dem Schwarzen Kanal oder Ornament und Verbrechen gehört, von Punk in den letzten Jahren der DDR wusste man aber reichlich wenig. Wie auch? Er war weder gewollt, noch fand er medial statt. Unter dem Namen "Grün & Blau" erscheint nun gut 20 Jahre nach dem Ende der DDR eine Art Retrospektive von Feeling B, der vielleicht einflussreichsten Punkband des Ostens. Die hatte laut eigener Aussage die DDR zwar nicht erschüttert, spielte aber doch den Soundtrack zum Untergang. "Grün & Blau" erscheint nun mit ausführlichem Begleitbuch und umfasst, frisch gemastert und poliert, 13 Songs, die Ostsozialisierte kennen und Westsozialisierte zum Staunen bringen sollten.

Was man als Punk zu kennen glaubte, kommt hier gänzlich neu, ja anders daher. Ging es im Westen um Bullenschweine, Isolationsfolter und das Schweinesystem, so singen Feeling B von Martin, einem Typen, der die Bibel Wort für Wort übersetzt. Das muss man erstmal sacken lassen und sich klar machen, um wieviel subtiler Bands in der DDR vorgehen mussten, um kritisches, emanzipatorisches Gedankengut in die Texte einfließen zu lassen. Das mag aus heutiger, vielleicht auch nur westlicher Sicht recht verquast klingen, schärft aber den Sinn für Sprache und ihre Möglichkeiten. Dass an Feeling B beteiligte Musiker sich heute mit ihrer Band Rammstein mehr dem Kommerz und dem Flirt mit faschistischer Ästhetik hingeben, ist traurig, schmälert diese großartige Zusammenstellung jedoch in keinster Weise. Was hätte aus denen noch werden können?