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04.02.2022
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Mitski - Laurel Hell

Platte der Woche

KW 05/2022


Mitski - Laurel Hell
Dead Oceans/Cargo
Format: LP

Dass wir im allgemeinen nicht nach Pop-Songs suchen, um unseren (kulturellen) Seelenhunger im Angesicht einer globalen Katastrophe zu stillen - heißt es im übertragenen Sinne in der aktuellen Bio von Mitski. Gerade das aber hat sich Mitski spätestens seit der Veröffentlichung ihres Selbstfindungs-Albums "Puberty 2" ja auf die Fahnen geschrieben. Und die Sache ist die, dass das sechste Album der mittlerweile am Rande des Mainstream-Durchbruchs stehenden New Yorker Indie-Ikone Mitski Miyawaki dann auch tatsächlich ein astreines Pop-Album geworden ist. Zusammen mit ihrem langjährigen musikalischen Partner Patrick Hyland erschuf Mitski ein kunterbunt flirrendes Gesamtkunstwerk mit New Wave-, Indie-, E- und Disco-Pop-Flair (und sogar R'n'B- und Motown-Sprengseln) als Fundament für Songs, die Mitski noch vor der Pandemie geschrieben hatte, die aber durch diese natürlich eine andere Bedeutung gewonnen haben. Anders als auf ihrem letzten Album "Be The Cowboy", auf dem sie Systemkritik und Empowerment zu ihren Themen erkundet hatten, zog sich Mitski auf dem neuen Album auf die persönliche Ebene zurück - weil sie sich ansonsten allmählich "bis zur Vollendung zu betäuben" gedroht hätte. So schrieb sie etwas, das "sie selbst hören musste" um ihren Seelenhunger stillen zu können. Das Ergebnis ist eine Songsammlung, mit der Mitski sich auf der Suche nach dem Sein hinter dem Schein ganz auf sich selbst konzentrierte, anstatt sich hinter verschiedenen Personas und "Masken" zu verbergen.

Im Wesentlichen sind das dann verdrehte, unromantische Liebeslieder mit einer unangenehm realitätsnahen Note, bei denen es dann öfter auch um Einsamkeit und Isolation geht; was ja heutzutage auch gerne ein Synonym für die aktuellen Lockdown-Situationen interpretiert werden kann. Und warum wurde das ganze als Pop-Scheibe konzipiert? Nun, weil sich Mitski - anders als ihre ebenfalls asiatisch-stämmigen Kolleginnen Michelle Zauner (Japanese Breakfast) und Sasami Ashworth (mit denen sie bestens vernetzt ist) nicht mehr mit einer musikalischen Identitätsfindung beschäftigen möchte oder muss. Stattdessen kann sie sich ganz auf ihr Geschick als Songwriterin verlassen und sich einfach das geeignetste Setting für ihre immer wieder faszinierend eigenständigen, komplexen Melodiebögen und Harmonieschlenker aussuchen. Wie ernst es Mitski mit dieser Sache ist, zeigt ihre erste Songwriter-Kollaboration - der Song "The Only Heartbreaker", den Mitski mit dem Grammy-prämierten Kollegen Dan Wilson von Semisonic schrieb; der u.a. als Co-Author für Adeles "Someone Like You" verantwortlich zeichnete.


-Ullrich Maurer-


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