Das ist kompliziert: Ein "Manticore" ist ein Fabelwesen aus der persischen Mythologie. Ein sprechender Löwe mit Menschenkopf, lauter Stimme, drei Zahnreihen, wahlweise Drachen- oder Skorpion-Schwanz und optionalen Flügeln der giftige Stacheln aus seiner Mähne schießen kann, wenn er nicht gerade mit seinen Krallen hantiert. Kurzum: Ein Manticore kann ziemlich viel. Das könnte der Grund sein, warum Michael Trent und Cary Ann Hearst a.k.a. Shovels & Rope ihr neues Werk so genannt haben. Denn hier passiert musikalisch eine ganze Menge. Ursprünglich hatten Michael und Cary Ann vorgehabt, zur Abwechslung ein entspanntes Akustik-Album einzuspielen. Aber dann kam die Pandemie - und damit jede Menge Zeit, das Konzept noch mal zu überdenken und dann doch noch mal an die Arrangements ranzugehen und die Songs mit allem, was sich nicht wehrt - und über das aus Gesang, Gitarre und Drums bestehende Grundgerüst hinausgeht - zu verbrämen.

Schwänze, Stacheln und Krallen gehören zwar nicht dazu, aber organische und elektronische Keyboards, kunstvoll gestaffelte und gedoppelte Gesangseinlagen, akustische, elektrische und elektronische Bässe, Percussion und natürlich alle möglichen Gitarrensounds akustischer aber dann auch elektrischer Natur. Und eine Vielzahl von Themen hatten sich Shovels & Rope schon vorher ausgesucht - basierend auf Charakterstudien, aber mit generellem gesellschaftlichen Kontext (eindrucksvoll zur Kulmination gebracht in dem Song "The Human Race"). Und dann noch etwas: Bei all dem Gemache hat das Duo aus Charleston dankenswerterweise aus den Augen verloren, dass sie bislang stets eher als Americana-Act reüssieren wollten und sich stilistisch keine Grenzen gesetzt.