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Tonträger-Review
 
Sigh - Imaginary Sonicscape

Sigh - Imaginary Sonicscape
Century Media Records
Format: CD

Forsicht Valle: Bei den ersten Takten denkt man noch: Ok, also SCHON WIEDER eine dieser Bands, die noch mehr nach In Flames klingen als die Flambierten selbst - melodische Gitarrentwins in Terzparallelen und gefauchte Black-Metal-Vocals. Doch dann setzt bereits dieses merkwürdige Q u i e t s c h e n ein... Nachdem die gesamte Wohnungsumgebung einigermaßen systematisch abgesucht wurde und mittlerweile sichergestellt ist, daß das nicht von der kollabierenden Mikrowelle, von weltrekordbrechend schaukelnden Nachbarskindern oder einem Hamster auf Speed im Laufrad hervorgerufen ist, beginnen die ersten Zweifel an der Genrekategorisierung aufzutauchen - mit diesen Höllensounds unterlegen die Japaner Sigh ihr fantastisch produziertes Werk selber... Und die bombastisch-sinfonischen Streicherparts, mit denen der Opener "Corpsecry" ausklingt, wären bei In Flames auch nicht vorstellbar. Gute Erkenntnis, denn das stimmt auf das unglaubliche Wechselbad ein, welches die zweite Nummer "Scarlet Dream" offeriert - hier erscheint im Mittelteil plötzlich pumpende Reggae-Rhythmik. Was immer noch nur unvollkommen darauf vorbereitet, daß "Nietzschean Conspiracy" mit laszivem Barjazz anhebt, die spinnen doch, die Japaner. Oder doch nicht?

Das Internet versorgt an diesem Punkt immerhin mit ein wenig Vorgeschichte: Was gerade mit Mellotron- und Hammond-Sounds straight from the Seventies aus den Speakern nöhlt, wird also als Black-Gothic-Avantgarde-Metal gehandelt! Cool. Und es soll schon eine lange Bandhistorie geben, die sich seit '93 herleitet und belegt ist mit den Veröffentlichungen "Scenario IV"; "Hail Horror Hail"; "The Eastern Force of Evil, live '92 -'96"; "Scorn Defeat"; "Infidel Art"; "Tragedies"; "Requiem For Fools" (die letzten beiden offensichtich nur als Tapes). Als Inspirationen gibt Mastermind (Gesang, Baß, Keyboards, Programmierung und Vocoder) Mirai Kawashima in einem Interview an: "Venom, Celtic Frost, Bulldozer, Possessed, Exodus, At War, Necrophagia, Anvil Bitch, Post Mortem, Kreator, Sodom, Whiplash, Deathrow, Destruction and so on." Gut und schön, aber das erklärt das tatsächlich Gebotene kein bißchen.

In der recherchierenden Zwischenzeit hat das Trio nämlich vorgeführt, daß sie auch "Meshuggah"-ähnliche sowie Tanzband-Sounds perfekt dekonstruieren können - und das in einer Komposition (nachzuprüfen auf "A Sunset Song")! Sodann erscheint ein "Impromptu", das so auch einem romantischen Klavierkonzert (oder einem Werk von Keith Emerson) entsprungen sein könnte. Später folgt der knapp 12minütige Horrorfilmsoundtrack "Slaughtergarden Suite". Und so langsam wird des Rezensenten Herz bange - das ist fast nicht mehr zu beschreiben. Möge es genügen, darauf hinzuweisen, daß dies AUSSERORDENTLICH ANSPRUCHSVOLLE Mucke ist, die als Avantgarde zu bezeichnen nicht angemessen, sondern wahrscheinlich noch hemmungslos untertrieben ist.

Das alles rockt (immer mal zwischendurch) wie's Tier, frustriert jede Erwartungshaltung, ist sehr, sehr verstörend und ziemlich wunderbar. Also, wenn ihr mutig genug seid, gebt euch mal Sigh. Es wird unter Garantie nicht langweilig...



-Klaus Reckert-



 
 
 

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