Das dürfte das erste Mal seit vielen Jahren sein, dass dieser mummelalte, aber glücklicherweise noch rüstige Dual-Plattenspieler nicht nur in Betrieb genommen, sondern dazu noch auf 17 cm und die Geschwindigkeit von 45 RPM einjustiert wird. Diese früher beispielsweise für Märchenplatten unternommene Prozedur wurde erforderlich für die vollständige Begutachtung einer gleichfalls märchenhaften "Super Deluxe Box". Das wertig produzierte und daher auch richtig schwere Set umfasst nicht weniger als neun Einzelmedien-Disk: 6 CDs, 2 DVDs sowie die 7"-Single "Al Fin Voy A Encontrate", die das eingangs erwähnte Procedere bedingte.
Um die wenigen Negativpunkte gleich abzuhaken: Die hier abgedeckte "Polydor-Ära" (1986 bis 1992) war zwar Charts-technisch erfolgreich, künstlerisch aber nicht unbedingt die stärkste der Moodies. Einen Song wie den "The Other Side Of Life" ('86, CD1) gleich einleitenden Hit "Your Wildest Dream" hatte man zwar natürlich noch irgendwie im Ohr, wusste aber nicht notwendigerweise auch noch, dass zumindest die Album-Version (der Single-Edit ist gleichfalls enthalten) mit so etwas wie einer Filmmusik-Version von "Oh Tannenbaum" anhebt. Auch die - in neuem Hifi-Glanz erstrahlenden - Syndrums und Keyboard-Bässe sind ungemein nostalgisch, aber wiegen beispielsweise ein Kleinod wie "Days Of Future Passed" natürlich nicht auf.
Zu den Pluspunkten: Alle Original-Alben der Symphonic-Rock-Pioniere wurden für diese Edition remastert, und das mit hörbar gutem Erfolg - ausgewogener Klang, kräftiges Bass-Fundament und unverzischte Höhen. Volle 17 Bonustracks wurden hinzugefügt, elf davon bislang (auf CD oder komplett) unveröffentlicht, inklusive einer 1991 aufgezeichneten BBC Radio Session, s.u.
Doch weiter der Reihe nach: CD1 wird erheblich aufgewertet und auf stramme 75 Minuten Laufzeit gebracht durch u.a. eine Live-Aufnahme von "Nights In White Satin", die 1984 in der Wembley Arena aufgenommen wurde.
CD2 birgt einen bislang tatsächlich noch nirgendwo veröffentlichten Konzertmitschnitt aus der "The Other Side Of Life"-Tour vom 8. Juli 1986 in Cleveland, bei dem der namensstiftende Song allerdings auf der CD fehlt. Wirklich interessant, wie ein altehrwürdiger Song wie "Tuesday Afternoon" im Eighties' Setting klingt - und überlebt. Die Aufnahme endet mit einer bewegten Fassung von "Question".
CD3 beherbergt das '88er Album "Sur La Mer", dessen Tiefpunkte wohl mit "Vintage Wine" und dem Disco-Song "Miracle" erlebt werden. CD4 wird überwiegend von "Keys To The Kingdom" ('91) gefüllt. Das überwiegend ruhige Werk foltert etwas weniger mit Drum-Computern und Kunststreichern über Hops-Rhythmik, die aber durchaus noch vorkommen ("Say What You Mean"). Das Glanzstück bilden abermals die Boni, konkret die akustische, hier erstveröffentlichte, erfreulich unkitschige BBC Radio One Acoustic session von Hayward und Gast-Keyboarder Paul Bliss aus dem Jahr '91, und hier besonders "Forever Autumn" (Haywards Solo-Erfolg aus Jeff Waynes "War Of The World" von '78).
CD5 und 6 schließlich reproduzieren eine remasterte Fassung des "Red Rocks" Konzertes mit dem Colorado Symphony Orchestra von '92, von der eleganten, siebenminütigen "Overture" über "Late Lament" und "Tuesday Afternoon" bis hin zu - natürlich - Nights In White Satin" und dem psychedelischen "Ride My See Saw". Auch vergleichsweise flotte Klopfer wie "I'm Just A Singer (In A Rock'n Roll Band) erhalten durch Larry Bairds opulente Bläser- und Streicher-Arrangements einen attraktiven neuen Anstrich.
Fast das ganze "A Night At Red Rocks"-Konzert vor der atemberaubenden Naturkulisse des Red Rock Amphitheaters in Morrison, CO, ist (remastert) auf DVD1 enthalten und ergänzt um die bisher nur für Mitglieder des Moodies-Fanclub erhältliche Doku "The Other Side of Red Rocks" (DVD2), welche die aufwändige Produktion und ihre Vorgeschichte in Interview-Beiträgen beleuchtet. Eine der Fragen, welche das Anschauen nicht klären konnte: Warum wohl erhält so etwas nur FSK 6, statt 0?
Das "Booklet" ist in diesem Fall ein 64-seitiges, gebundenes Buch im Vinyl-EP-Format. Der kenntnisreiche, von Mark Powell beigesteuerte Text des üppig mit zeitgenössischen Fotos und Dokumenten illustrierte Werks setzt sinnvollerweise am Anfang der beachtlichen Bandkarriere der Moodies ein - und nicht etwa erst '86 - und schreibt die Geschichte auch über '92 hinaus fort. Die Gastspiele von Patrick Moraz (key; Refugee, Yes) finden hier ebenso Erwähnung wie das Ableben von Decca Records bzw. ihr Aufgehen in die PolyGram-Gruppe. Die letzten Seiten reproduzieren u.a. das Artwork der hier gefeierten Original-Alben.
Und wieder zurück zum Beginn - last but not least enthält das großformatige Slipcase ja noch besagte blaue 7"- Single in ästhetischem, blau-durchscheinendem Vinyl. Die A-Seite präsentiert mit "Al Fin Voy A Encontrate", die laut Label-Info "äußerst rare" spanisch gesungene Version ihres Hits "I Know You’re Out There Somewhere", dessen Original-Fassung sich auf der B-Seite findet. Vermutlich endgültig zur Rarität wird das Ganze dadurch, dass das Label der Single verrät, diese sei von JustOn Hayward / Tony Visonti produziert worden!
Moody Blues - wen interessiert das überhaupt noch? Oh, so viele Menschen, dass sich beispielsweise eine alljährliche Kreuzfahrt mit 'zig Konzerten für die Fans lohnt, die Moody Blues Cruise nämlich, die vom 2. bis 7. April 2015 wieder die Anker lichtet, siehe letzte Surfempfehlung...