Ben Kowalewicz nennt es "die beste Arbeit, die wir bisher abgeliefert haben". Manche nennen es die schlechteste, doch das sind vor allem eingefleischte Punk-Fans, denen die Entwicklung ihrer Band hin zu gemütlichen Rundfunk-Rockern so gar nicht gefällt.
Dass die Newcomer des Jahres 2003 nicht die Pop-Punk-Eintagsfliege sind, für die sie anfangs gehalten wurden, ist längst klar. Dass sie ihre stilistische Weiterentwicklung dennoch vehement verteidigen müssen, nun auch. Es stimmt, Billy Talent angelten sich für "III" zuerst einmal Elite-Producer Brendan O'Brien (Pearl Jam, AC/DC), der prompt für klareren, breiteren Sound sorgte. Auch dass diesmal mehr auf harmonischen Gesang und saubere Soli gesetzt wurde, ist richtig. Aber der Band sogleich Ausverkauf vorzuwerfen, wäre unfair.
Nach 15 Jahren gemeinsamer Bandgeschichte ist einfach passiert, was abzusehen war: Billy Talent sind erwachsen geworden. Man will sich weiterentwickeln und neue Größe zeigen. Dass sich dabei beim eigenen Stil zurückgenommen wird birgt allerdings die Gefahr, dass man in gemütlicher Mittelmäßigkeit treiben bleibt, die vorrangig den Mainstream füttert. Die schon auf "II" bemerkte und nun noch deutlichere Zügelung von Tempo, direkter Aggression und dem markantesten Markenzeichen der Band, Ben Kowalewicz' Screamo-Stimme, ist dafür deutlichstes Indiz. So tendiert man hier gern mal zu Midtempo und Röhre Kowalewicz schafft es tatsächlich, den einen oder anderen Vers zu singen. Doch abgesehen von den nicht ganz objektiv zu bewertenden Veränderungen gibt es auch ohne Frage solche, die einfach nicht anders als positiv zu vermerken sind, und die wiegen etwaige Mängel doppelt und dreifach auf.
"III" ist noch vielseitiger als der Vorgänger. Was nicht immer unbedingt ein Zeichen von Qualität ist, hier aber schon. Der Mix aus 70er-Jahre-Rock und dem Grunge der Neunziger ist durchweg mitreißend und authentisch, Ausfälle gibt es nicht. Alles ist dabei, vom typischen Mitgröl-Stück "Turn Your Back" über die Halb(!) - Ballade "White Sparrows" bis hin zu "The Dead Can't Testify", das schwach nach My Chemical Romance-Anleihe klingt. Man merkt, dass Billy Talent gewillt sind zu experimentieren. Jedoch ohne alte Fans zu verprellen, das machen Stücke wie "Tears Into Wine" oder eben "Turn Your Back" deutlich, die ohne weiteres auch auf "I" oder "II" Platz gefunden hätten. Abgesehen vom erweiterten Repertoire steckt die stärkste Entwicklung im Songwriting: Neben kleinen pubertären Ausfällen wie "She blocked my number from her cell phone" ("Diamond On A Landmine") werden ausschließlich ernste Themen angesprochen. Da steht man im Konflikt mit Gott ob des Todes der Geliebten ("White Sparrows") oder debattiert mit der Selbstmörderin "Saint Veronika" über die Verantwortung, am Leben festzuhalten.
Insgesamt ein sehr düsterer Unterton für ein lückenlos überzeugendes Album, das es dank stampfender Hooks und virtuoser Riffs auch mit den beiden Vorgängern aufnehmen kann. Anspieltipps: "Tears Into Wine", "The Dead Can't Testify", "Turn Your Back"