Gaesteliste.de Internet-Musikmagazin
Banner, 468 x 60, ohne Claim



SUCHE:

 
 
Gaesteliste.de Facebook Gaesteliste.de Instagram RSS-Feeds
 
Tonträger-Archiv

Stichwort:
Platten der Woche anzeigen




 
Tonträger-Review
 
Compilation - Mellodrama - The Mellotron Movie

Compilation - Mellodrama - The Mellotron Movie
Bazillion Points
Format: CD+DVD

"Everybody loves a mel(l)odrama", sangen und wussten schon die Indigo Girls ("You And Me Of The 10,000 Wars", '90). Auch wenn sie dabei kein Wortspiel und nicht das Instrument im Sinn hatten, um das es bei dieser Film- und CD-Veröffentlichung geht. Die Journalistin Dianna Dilworth war genügend fasziniert von dem seit 1964 erhältlichen Tasteninstrument und dem Chamberlin als seinem Vorläufer und Konkurrent, um einen ganzen Film über seine Geschichte zu recherchieren und zu drehen - vom Aufstieg über den Niedergang bis hin zur nie erwarteten, aber umso gewaltigeren Renaissance. Eine Renaissance, die bis heute anhält - sowohl was die Sounds wie auch die historischen Instrumente angeht. Chamberlin wie Mellotron gemeinsam ist das Prinzip, dass über eine Tastatur sowie weitere Steuerelemente zuvor auf Tonbändern gespeicherte Klänge abgerufen und verändert werden. Hierdurch sind diese Keyboards Vorläufer des heute massiv genutzten Samplings. In der Musik unsterblich geworden sind die typischen Sounds aus dem Mellotron beispielsweise durch "Strawberry Fields" von den Beatles (Blockflöten), "Watcher Of The Skies" von Genesis oder "And You And I" von Yes (Streicher).

Der Regisseurin gelingt es, das Sachthema über Menschen und zahllose O-Töne zu transportieren. Der Film ist mindestens so spannend wie eine der üblichen Konzertkonserven - vermutlich sogar deutlich spannender als die meisten Tourdokus. Das ist so, weil so viele ehedem oder heute noch wichtigen Musiker zu Wort kommen. Das einfühlsame "Vorwort" zur CD stammt beispielsweise von Mike Pinder (key, voc; Moody Blues), von dem auch mehrere Interviewsequenzen stammen. Ein faszinierendes Zeitdokument ist die Live-Demo seiner eigenen Erfindung durch Harry Chamberlin. Er hatte das Instrument ursprünglich mehr für Haushalte und Alleinunterhalter konzipiert und konnte natürlich nicht ahnen, dass sich die Rockmusiker bis heute darauf stürzen würden wie sonst nur auf Groupies. Die Geschichte enthält übrigens auch Produktpiraterie, denn der Chamberlin-Vertriebler Bill Franson setzte sich inklusive zweier Geräte von den USA nach Großbritannien ab, wo er sie an die Bradley Brothers verhökert und wo alsbald das verdächtig ähnliche Mellotron von zunächst Bradmatics, dann Mellotronics und schließlich Streetly Industries gebaut und vertrieben wurde. Übrigens mit interessanten Vor- wie Nachteilen: Beispielsweise besteht Einigkeit bei den Experten über die Überlegenheit der Chamberlin-Sounds. Während bei den Original-Mellotron-Sounds, die in einem schlecht gedämmten Raum aufgenommen wurden, teils Verkehrsgeräusche bei der Aufnahme mit auf die Tapes gekommen sind! Die Erfolgsgeschichte der sich notorisch verstimmenden, kaum transportfähigen Instrumente reißt Ende der Siebziger/Anfang der Achtziger mit dem Auftauchen der polyphonen Synthesizer ab. Tony Banks berichtet beispielsweise, wie erleichtert er war, als er aufgrund von Alternativen sein Mellotron endlich in Rente schicken konnte.

Zu den vielen weiteren fesselnden Szenen der Dokumentation gehört auch jene etwas gruselige, wo ein völlig zerstört wirkender Brian Wilson (Beach Boys, vgl. "Pet Sounds") relativ grobmotorisch auf der Mellotron-Tastatur herumdrückt und dazu befragt merkwürdige Antworten gibt. Ansonsten begegnen wir u.a. sehr präsent wirkenden Ian McDonald (King Crimson), Rick Nielsen (Cheap Trick), Patrick Moraz (u.a. Yes), Bigelf sowie Opeth-Chef Mikael Åkerfeldt, der es typischerweise tatsächlich mal wieder hinbekommt, seinen damaligen Keyboarder Per Jonas Wiberg (u.a. Spiritual Beggars, Anekdoten) praktisch nicht zu Worte kommen zu lassen. Außerdem immer wieder Mellotron-Crack Mattias Olsson (Änglagård). Nicht zu vergessen David Biro (Erfinder der für Rick Wakeman gedachten Weiterentwicklung "Birotron"). Der so unterhaltsame wie lehrreiche Film läuft achtzig schnell vergehende Minuten lang.

Als "Mellodrama - The Mellotron Music" ist von Bazillion Points zusätzlich eine gleichfalls empfehlenswerte Audio-CD erhältlich. Allerdings fehlt einem hier naturgemäß zur Einfühlung doch ein wenig das Bewegtbild. Dennoch sind viele der enthalten Beispiele einfach interessant - insbesondere Harry Chamberlins hier in einiger Länge wiedergegebenen Original-Demos.

Für Verblüffung sorgt hier wie schon auf der DVD Michael Penn - Bruder von Schauspieler Sean P. und Gatte von Aimee Mann - indem er sein wunderbares "Long Way Down (Look What The Cat Dragged In)" von 1992 vollständig auf dem Mellotron wiedergibt - inklusive Gitarrenbegleitung. In Summe ein einfach tolles Angebot für Prog-Fans und alle, die sich für analoge Keyboards und ihren Einfluss auf die Musikgeschichte interessieren.



-Klaus Reckert-


Video-Trailer
Beatles - Strawberry Fields
Genesis - Watcher of the Skies - Live 1973
Yes - And You & I
Opeth - Mellotron Heart

 
 
 

Copyright © 1999 - 2024 Gaesteliste.de

 powered by
Expeedo Ecommerce Dienstleister

Expeedo Ecommerce Dienstleister