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Cat Power - Sun

Platte der Woche

KW 35/2012


Cat Power - Sun
Matador/Beggars Group/Indigo
Format: CD

Irgendwie war schon klar, dass die Episode mit der Dirty Delta Blues Band, mit der sich Chan Marshall seit 2006 neue Freiräume erarbeitete, nur eine solche sein konnte. Denn so viel Spaß Chan Marshall auch auf der Bühne (und im Studio) mit dem Interpretieren fremder und eigener Lieblingssongs gehabt haben mochte - und dabei ganz neue performerische Qualitäten entwickelte: Das konnte ja nicht alles gewesen sein und das war auch nicht wirklich Chan Marshall, die da auf der Bühne stand. Nach geschätzten drei Jahren Arbeit an dem neuen Album (die restliche Zeit verbrachte sie mit Touren, Persönlichem und dem Aufbau eines eigenen Studios) zeigt sich, dass diese Einschätzung wohl richtig war. Auf dem Album zeigt sich eine runderneuerte Chan Marshall, bei der nicht nur frisurentechnisch die alten Zöpfe abgeschnitten erscheinen. Das neue Material präsentiert sich in Form regelrecht hipper, vor allen Dingen aber ungezwungen und abenteuerlustig aufbereiteter Indie-Pop-Songs.

Das ist nicht weiter verwunderlich, dann Chan zeigte sich stets allen möglichen musikalischen Richtungen gegenüber aufgeschlossen und zögerte auch nie, in Kollaborationen von ihrer eigenen Basis abzuweichen. Eher verwunderlich ist schon die Art, in der sie das neue Material aufmischt. Denn lange Jahre zeigte sich Chan moderner Technik gegenüber zumindest skeptisch und weigerte sich geradezu, sich mit Computern oder dem Web zu beschäftigen. Erst in letzter Zeit änderte sich das und Frau Marshall hält ihre Fans seither mit kryptischen Nachrichten und politischem Aktivismus auf dem Laufenden. Musikalisch schlägt sich das auf dem neuen Album insofern nieder, als dass hier Elemente auftauchen, die es früher bei Chan Marschall nicht mal bis zur Studiotür geschafft hätten: Synthesizer, Loops, Rhythmusmaschinen, Samples und vor allen Dingen jede Menge Effekte auf den Gitarren, Keyboards und besonders den (zuweilen regelrecht kreativ gestaffelten und gedoppelten) Vocals sorgen für ein Klangbild, das man so einfach noch nicht von Chan selbst kannte und für die mit Sicherheit nicht alleine der Mixer, Philippe Zdar, verantwortlich zeichnet.

Das reicht vom infektiösen Popsong ("Ruin") über angedeutete Rap-Versuche ("Peace And Love") bis zur astreinen David Bowie-Hommage ("Nothin' But Time"). Der Blues spielt - musikalisch und stimmungsmäßig - überhaupt keine Rolle mehr. Auch wenn es noch melancholische Momente gibt: Die bleierne Schwermut vergangener Tage ist endgültig passé. Auch inhaltlich: Statt düsterer "Moon Pix" gibt es sozusagen hell strahlende Sonnenstrahlen. Was Chan - im übertragenen Sinne aussagt ist, dass sie nun sozusagen überall gewesen ist und dabei festgestellt hat, dass der Sinn des Ganzen eher im normalen Leben ("Real Life") liegt, als in der Suche nach etwas Besserem oder einer wundersamen Heilung. Diese Art von Stoizismus hätte man von Chan Marshall nicht unbedingt erwartet - es ist aber auf jeden Fall eine erfreuliche Entwicklung, denn das Ganze ist leichter zu ertragen als das herzzerreißende Ringen mit den Dämonen der Vergangenheit.

Spannend wird es zudem sein zu beobachten, wie Chan das neue Material, das sie vorwiegend alleine und unterstützt von Mixer Philippe Zdar im Studio kumulierte, nun live präsentieren wird. Interessant noch am Rande: Selbst hartgesottene Fans der "alten" Chan Marshall dürften keine Mühe haben, mit dem neuen Material zu recht zu kommen, während es andererseits mit Sicherheit auch für Zulauf aus anderen Richtungen sorgen wird. Vielleicht klappt das sogar kommerziell. Was Lykke Li kann, sollte auch Chan Marshall gelingen. Verdient (und hart erarbeitet) hätte sie es schließlich.



-Ullrich Maurer-


Audio: "Cherokee"

 
 
 

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