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Tonträger-Review
 
Bob Dylan - Rough And Rowdy Ways

Bob Dylan - Rough And Rowdy Ways
Columbia/Sony Music
Format: 2CD

Eigentlich hatte es ein wenig so ausgesehen, als hätte sich der Kreis für Bob Dylan geschlossen. In den letzten 20 Jahren hatte er sein Interesse an einem oft vollkommen vom Hier und Jetzt abgekoppelten Sound konsequent weiterverfolgt, bis er zuletzt mit gleich drei Alben voller Coverversionen aus dem Frank Sinatra-Dunstkreis bei den Wurzeln der Swing-Jazz-Klänge angekommen war, die neben einem ausgeprägten Faible für den Blues der 30er, 40er und 50er des letzten Jahrhunderts auch in seinen eigenen Liedern seit dem Album "Love And Theft" aus dem Jahre 2001 immer mehr an Bedeutung gewonnen hatten.

Analog dazu hat sich auch seine Herangehensweise an seine Texte verändert, aber vielleicht doch gar nicht so stark, wie es auf den ersten Blick scheint. Auch heute noch singt Dylan von den Dingen, die ihm wichtig sind - allerdings findet er, für einen Künstler von fast 80 Jahren keineswegs ungewöhnlich, jetzt seine Inspiration weniger in der Gegenwart als in der Vergangenheit. Der Mann, der zu Beginn seiner Karriere Anfang der 60er als Lichtgestalt der New-Yorker-Folkszene in seinen Songs fast tagesaktuell und direkt zu politischen Ereignissen Stellung nahm, hat sich zu einem Archivar entwickelt, der mit seinen Texten bisweilen im Stile eines Geschichtsprofessors die Erinnerung an Ereignisse und Persönlichkeiten wachhält, die ihm am Herzen liegen.

Die Lieder auf "Rough And Rowdy Ways" - Dylans erstem Album mit eigenen Songs seit acht Jahren - sind gespickt mit Namen und Orten aus lange vergangenen Zeiten, wenn er bei seinem konstanten Namedropping den Bogen von römischen Kaisern über Generäle des Sezessionskrieges bis zu US-Präsidenten seiner eigenen Jugend spannt und reale Persönlichkeiten auf fiktive Charaktere aus der Literatur- und Filmgeschichte treffen lässt. Dabei überlässt er viel der Fantasie des Hörers, vielleicht auch in der Gewissheit, dass er auf eine ganze Armee treu ergebener Dylanologen zählen kann, die sich darin überbieten, in jeder noch so dahingeworfen wirkenden Zeile tief vergrabene Bedeutungsebenen und Bezüge zu aktuellen politischen Ereignissen zu finden, und dem Album bisweilen sogar jegliche nostalgischen Züge absprechen. Selbst mancher Sektenführer kann von solch treuer Ergebenheit nur träumen.

Dabei ist "Rough And Rowdy Ways" auch abseits einer am Ende sinnlosen literarischen bzw. intellektuellen Überhöhung ein wirklich schönes, ja bemerkenswertes Album, bei dem die Musik stärker als in der jüngeren Vergangenheit darauf ausgerichtet scheint, die oft ausufernden Texte zu transportieren, ohne deshalb weniger wichtig zu sein: nicht zuletzt sicher Ergebnis der erneuten Zusammenarbeit mit Meister-Tontechniker Chris Shaw, der Dylan auch schon bei "Love And Theft" zur Seite stand. Mit seiner besten Backing-Band seit 20 Jahren, in der neben langjährigen Wegbegleitern wie Gitarrist Charlie Sexton, Bassist Tony Garnier und Multiinstrumentalist Donnie Herron auch die Neuzugänge Bob Britt und Matt Chamberlain an Gitarre und Schlagzeug und Heartbreaker Benmont Tench als Gast an den Tasten glänzen, gelingt Dylan ein oft minimalistischer und doch an den richtigen Stellen detailverliebter Streifzug durch die gute alte Zeit, der nie angestaubt klingt.

Zu behaupten, die Platte klinge anders als alles, was Dylan oder jeder andere Musiker zuvor aufgenommen habe, hört sich im ersten Moment wie billiges Werbegeschwätz an, tatsächlich steckt in der Aussage aber einiges an Wahrheit. "Rough And Rowdy Ways" mag nicht Dylans musikalisch spannendste oder textlich beste Platte sein, allerdings gelingt es ihm meisterlich und fast schon überraschend konsequent, seine Lieder so mit Zitaten und Referenzen vollzustopfen, dass sie am Ende tatsächlich vollkommen eigenständig und losgelöst und von jeglichen Zusammenhängen existieren. Das Ergebnis ist ein Album, das Dylan ganz allein gehört. Ob das allein für das Prädikat "Meisterwerk" reicht, das dem Album von der Presse derzeit reihenweise angeheftet wird, wird man sicherlich in einigen Jahren in der Rückschau besser beurteilen können.



-Simon Mahler-



 
 
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