I Like Trains vorzuwerfen, plötzlich politisch geworden zu sein und dabei die Kreativität vergessen zu haben, geht an dem vorbei, worum es bei dem neuen Werk "Kompromat" in weiten Teilen geht: Wahrheit. Die Band aus Leeds hatte immer schon politische Beobachtungen und Anmerkungen in den Texten vorzuweisen, seien es historische Ereignisse ("Elegies To Lessons Learnt", 2007), Klima-Veränderung ("He Who Saw The Deep", 2010) oder Entfremdung ("The Shallows", 2012) - die Themen war immer schon da, das gibt Sänger David Martin auch zu: "Ein I Like Trains-Album kann erst entstehen, wenn es ein grundlegendes Thema gibt." Verpackt in großartige Post-Rock-Songs mit vielen Shoegaze-Anleihen und Wall Of Sounds. "Kompromat" geht einen etwas anderen Weg, lässt aber nichts an den altbekannten Zutaten vermissen.

Gesungen wird auf dem neuen Album nicht durchgehend, den Bariton David Martins hört man in kleineren Dosen - oftmals wird kommentiert im News-Ticker-Stil, hier werden die Beobachtungen und Schlagzeilen gelistet, es dreht sich vorwiegend um die Information an sich und wie damit umgegangen ist, gut oder meistens schlecht (Brexit, Trump, Manipulation, Korruption, etc.). Der Gesang scheint fast schon zu kostbar zu sein, um ihn an die Wahrheit zu verschwenden. Musikalisch ist aber alles da, was man an der Band so liebt: Die Gitarren, mal als Wand, mal leise, mal laut, den treibenden Bass und das dazugehörige, polternde Schlagzeug, wohldosierte Keyboard-Einsätze. Melodien wurden bei all dem Überbau auch nicht vergessen - und auch einen zumindest stimmlichen, ruhigen Gegenpol in Form von Anika beim letzten Song "Eyes To The Left" - wobei es textlich recht düster zugeht. Die Wahrheit ist: Das ist ein großartiges Album!