Das Projekt Boygenius, zu dem sich Phoebe Bridgers, Lucy Dacus und Julien Baker 2018 zusammenschlossen, um Gemeinsamkeiten musikalisch ausloten zu können, ging im allgemeinen Veröffentlichungs-Zirkus vielleicht ein wenig unter, erweist sich aber im Nachhinein wohl als regelrechter Katalysator, denn nachdem zunächst Lucy Dacus und dann Phoebe Bridgers danach neue Alben vorlegten, die sich mehr oder minder stark von der bis dahin eingeschlagenen musikalischen Richtung der Songwriterinnen absetzten, legt nun auch Julien Baker ein neues Werk vor, das im Vergleich zu ihren beiden eher introvertiert und schwermütig anmutenden, asketisch inszenierten Vorgängeralben wie ein musikalischer Urknall rüberkommt.

Während ihre Songs grundsätzlich immer noch eine lamentöse, melancholische Qualität besitzen und sie sich mit ihren Drogenproblemen auseinandersetzt, lässt sie auf der musikalischen Seite nämlich ziemlich energisch die Muskeln spielen. Das liegt daran, dass Julien dieses Mal den Reiz der großen Geste entdeckte und ihre neuen Songs im Breitwandformat arrangierte - wobei sie einen Großteil der hinzugekommenen Instrumente - darunter Bass, Drums, Synths, Mellotron, Banjo, Mandoline und regelrechte Rockgitarren - dann auch noch selbst einspielte. Ähnlich wie ihre Kollegin Phoebe Bridgers gelang Julien Baker mit diesem Album auch der Schlupf aus der vermeintlich schützenden, aber dann doch tatsächlich zerbrechlichen musikalischen Eihülle. "Little Oblivions" ist somit nicht mehr oder weniger geworden, als ein veritabler musikalischer Befreiungsschlag.