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Liz Phair - Soberish Chrysalis/Pias/Rough Trade
Format: LP
Vor 28 Jahren veröffentlichte die inzwischen in Kalifornien, aber damals in Chicago lebende Songwriterin Liz Phair ihr Debüt-Album "Exile In Guyville" - und danach war in Sachen Indie-Pop, Empowerment, Selbstbestimmung und jungen, selbstbewussten Songwriterinnen, die dem Patriarchat den musikalischen Stinkefinger zeigten, nichts mehr, wie es vorher war. Es folgte dann eine Karriere, in der Liz ein bemerkenswertes Auf und Ab zwischen kommerziellem Erfolg, künstlerischer Identität, persönlichen Turbulenzen, Kritik und Selbstbestätigung durchlebte, jeweils unterbrochen von langen veröffentlichungstechnischen Pausen - von denen die letzte zehn Jahre anhielt. Denn 2010 veröffentlichte Liz Phair ihr letztes Album "Funstyle" auf ihrem eigenen Label, nachdem sie ihre Major-Deals verloren hatte. Eigentlich hatte sie dann vorgehabt, in Zusammenarbeit mit Ryan Adams 2015 eine Doppel-LP zu produzieren - geriet dann allerdings in die Phase, in der Adams seine inzwischen berüchtigten Frauengeschichten anfing - so dass daraus nichts wurde. Es war 2018 dann die erneute Wiederveröffentlichung ihres um die Demos aus der Girly Sound-Phase erweiterten Debütalbums auf ihrem alten Label Matador, die Liz inspirierte, mit dem Produzenten-Kollegen aus den alten Tagen, Brad Wood, an neuen Songs zu arbeiten, die teilweise auch während der Arbeiten an ihren Memoiren entstanden, die sie 2019 unter dem Titel "Horror Stories" in Form fiktiver Kurzgeschichten veröffentlichte.
Um Kurzgeschichten im musikalischen Kontext geht es auch bei den Songs des jetzt endlich vorliegenden Albums "Soberish". Im Prinzip zieht Liz Phair hier ein aktualisiertes, konfessionelles Resümee in mehreren Kapiteln - wie gewohnt mit einem Mix aus brutaler Offenheit und augenzwinkerdner Selbstironie, allerdings gepaart mit einer gehörigen Portion Altersweisheit. Auf der musikalischen Seite wandte sich Liz dabei mit Hilfe von Wood wieder ihren Indie-Roots zu. Dabei entschieden sich Liz und Bob die Songs auf das Wesentliche zu reduzieren, spielten alle Instrumente selber ein und entkernten die Arrangements von allem unnötigen Ballast. Im Ergebnis kommt dabei ein faszinierender Mix aus gefilterter Indie-Ästhetik und Liz Händchen für poppige Momente aus ihrer Major-Phase zustande, die sicherlich in der Lage sein wird, alte Fans zu versöhnen und neue hinzuzugewinnen.
-Ullrich Maurer-
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