Auf seinem neuen Album lässt sich Ezra Furman nun als "she" ausloben, nachdem er sich zuvor schlicht mit dem Tag "queer" zufrieden gegeben hat. Nun ja: Bemerkbar macht sich das allerdings nur inhaltlich - denn "All Of Us Flames" ist eine im Angesicht der Pandemie verfasste, bemerkenswert persönliche Songsammlung geworden - und gipfelt in den autobiographischen Highlights "Point Me Toward The Real" und "Poor Girl A Long Way From Heaven", in denen Furman seine Identitätskrise auf spirituelle Weise darlegt und diskutiert. Musikalisch indes lässt sich ein Adamsapfel so leicht ja nicht wegdefinieren: Furmans Knödelstimme hört sich jedenfalls kein Stückchen femininer an als auf seinen letzten Alben.

Musikalisch ist "All Of Us Flames" der Abschluss einer Trilogie, die 2018 mit dem Rockalbum "Transangelic Exodus" begann und 2019 mit dem Punk-affinen "Twelve Nudes" fortgesetzt wurde. (Der Soundtrack zu der TV-Serie "Sex Education" gehört nicht zu dieser Trilogie.) Musikalisch ist Furman unter der umsichtigen Regie von John Congleton dieses Mal in den 70s angelangt - und zwar ungefähr in der Phase, in der der Glam Rock noch nicht tot und die Suche nach dem, was später New Wave wurde, noch nicht abgeschlossen war bzw. im Drama-Pop jener Tage endete. Kompositorisch zieht Furman alle Register und überrascht mit opulent arrangierten, druckvollen und erfreulich effektiven und komplexen Kompositionen, die klar erkennen lassen, dass Furman nicht zu jener Sorte von Künstler(inne)n gehört, die sich mit der erstbesten Idee und dem Kuratieren des bis dahin erreichten zufrieden geben. Einfach aufgrund der schieren Masse erstklassiger Songs mit vielen verschiedenen Facetten ist "All Of Us Flames" nicht nur der stärkste Beitrag zu der o.a. Trilogie, sondern auch der würdige Abschluss einer musikalischen "Bildungsreise". Mal sehen, was Furman als Nächstes in Petto hat.