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Lucinda Chua - Yian 4AD/Beggars Group/Indigo
Format: LP
"Yian" bedeutet auf Chinesisch "Schwalbe" - ist aber auch ein gebräuchlicher Vorname. Lucinda Chua, die in Milton Keynes aufgewachsene Tochter englischer und malayischer Eltern, erhielt den Namen Siew Tian zusätzlich zu ihrem europäischen Vornamen, um auf ihre chinesischen Roots hinzuweisen - und sie verwendete diesen Namen auch als Titel für ihre Debüt-LP, weil sie in der Schwalbe ein Sinnbild für ihre Suche nach Identität und Freiheit geht. Lucinda entwickelte die Theorie, dass Schwalben ja vielleicht tatsächlich im Himmel leben könnten. Nicht nur deswegen zweigt sie sich auf dem Cover der LP als (ziemlich gerupftes) Schwalben-Wesen - und greift das Thema in ihren Songs immer wieder auf. "I've Been Living In The Sky Too Long" singt sie etwa in dem Song "Autumn Leaves Don't Come" und macht sich auf der Erde dann auf die Suche nach ihrer Identität, die sie als Frau mit asiatischem Aussehen in einer europäischen Umgebung nicht ohne Weiteres in ihrem direkten Umfeld finden konnte. Das ungefähr ist das Anliegen dieses bemerkenswerten Albums.
Dass sich dieses für die ausgebildete Tänzerin nicht mit simplen Pop-Songs musikalisch realisieren ließ, liegt auf der Hand. Lucinda entschloss sich, ihre Reise ins Ich - fast vollständig ohne rhythmische Akzente - alleine mit Stimme, teilweise psychedelisch erweitertem Wurlitzer-Piano und orchestralen bzw. synthetischen Ambient-Klangwolken zu untermalen. Das verleiht der Sache eine große räumliche Weite, eine mystische Grundstimmung und - dank des unter die Haut gehenden Gesangs Lucindas - eine fast spürbare physische Präsenz. Ohne weiteres könnte man sich Musik wie diese als Himmelstauglich vorstellen. Ein Duett mit der singapurischen Künstlerin Yeule (die ganz ähnliche Anliegen wie Lucinda hat) setzt den Schlusspunkt unter ein konzeptionell wie musikalisch gelungenes Projekt. Ein Genre muss für diese Art von Klangkunst im Songformat natürlich erst noch gefunden werden - aber mit dieser Produktion hinterlässt Lucinda Chua ein bemerkenswertes musikalisches und konzeptionelles Ausrufezeichen.
-Ullrich Maurer-
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