KW 44/2023
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bar italia - The Twits Matador/Beggars Group/Indigo
Format: LP
Also Humor haben Nina Cristante, Jezmi Fehmi und Sam Fenton ja schon. Nachdem das Londoner Trio bar italia vor einem halben Jahr ohne jedwede Promotion oder Informationen bandinterner Art mit dem Debütalbum "Tracey Denim" den Anspruch auf das Next Big Thing in Sachen UK-Indie-Rock anmeldete, legt die Band nun bereits das zweite Album nach und nennt das dann "The Twits" - was soviel heißt, wie "Die Trottel". Wenn man dann allerdings weiß, dass es auf der LP einen trunken torkelnden Rock-Walzer namens "Twist" gibt, lässt sich erahnen, dass die Band da in die Wortspielkiste gegriffen hat. Sich selbst nehmen sich bar italia also offensichtlich nicht besonders ernst. Wohl aber ihre Musik.
Das neue Album hat nämlich deutlich mehr Finessen, Level und Details zu bieten, als die überwiegend aus stilistisch unterschiedlichen Rausschmeißern bestehende Debüt-LP. Hier vertiefen bar italia ihr Rezept, alle möglichen stilistischen und genretechnischen Experimente in unterschiedlichen Anteilen zusammenzuwürfeln, indem sie die neuen Tracks mit komplexen Strukturen und Soundexperimenten anreichern. Dazu gehört auch, dass man zuweilen mitten in bereits laufende Tracks reingeworfen wird oder aber andere mitten im Denouement abgeschnitten werden. Das ist dann fast schon so etwas wie avantgardistischer Indie-Prog. Klanglich muss man sich das dann so vorstellen, dass die Band anstrebt, den Hörer entweder zwischen brachialen Grunge-Riffs zu zermalmen, mit dräuenden psychedelischen Drones zu erdrücken, mit Fuzz-Riffs schwindlig zu spielen, im Shoegaze-Sound zu ertränken oder mit verstiegenen Kling-Klang-Sounds am Rande des Atonalen zu verwirren. Freilich lässt man sich diese "Misshandlungen" als Konsument denn auch gerne gefallen, denn die mit teils hysterischen, teils einschmeichelnden und teils gutturalen, anteilig vorgetragenen Vocals unterlegten Tracks haben es in sich. So viele coole Riffs, Grooves, Licks, Rhythmen und musikalische Überraschungen hat es schon lange nicht mehr auf einer einzigen Scheibe versammelt gegeben. Nur für Schönklang und konventionelle musikalische Logik gibt es keinen Raum in der wundersamen Welt von bar italia. Wenn schon Next Big Thing in Sachen Indie-Rock - dann eigentlich bitte nur so!
-Ullrich Maurer-
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