KW 10/2024
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Kim Gordon - The Collective Matador/Beggars Group/Indigo
Format: LP
"On this record, I wanted to express the absolute craziness I feel around me right now", sagt Kim Gordon selbst über ihr zweites Soloalbum - und tatsächlich klingt "The Collective" wie der Soundtrack zu einer Welt, die vollkommen aus den Fugen geraten ist. Erneut mit Produzent Justin Raisen (Charli XCX, Sky Ferreira) an ihrer Seite, taucht die inzwischen 70-jährige Alternative-Rock-Ikone noch tiefer als auf ihrem vor fünf Jahren erschienenen Solo-Erstling "No Home Record" in elektronische Welten ab, ohne deshalb das faszinierende Spiel mit verstörenden Dissonanzen auszuklammern, das schon seit ihren frühesten Tagen als Bassistin von Sonic Youth ihr unverkennbares Markenzeichen ist.
Doch auch wenn auf dem in Gordons Heimatstadt Los Angeles aufgenommenen Album immer wieder das Gitarren-Feedback aufblitzt, das schon den Sound ihrer alten Band befeuerte, stehen auf "The Collective" vor allem die Nummern im Zentrum, die sich anderer Mittel bedienen, wenn Samples und Trap Beats für einen oft minimalistischen, aber dennoch stets fesselnden Backdrop für Gordons Untergangsfantasien sorgen und dabei mit dystopischen Drones, die an Industrial, HipHop, Dub und Noise vorbeischlittern, auch klanglich ein düsteres Bild vom Hier und Jetzt zeichnen.
In ihren intuitiven Wortcollagen, mit denen sie den Geist der Beat-Poetry von gestern und vorgestern in die Gegenwart bugsiert, nimmt sich Gordon alles vor, was ihr in unserer zerfaserten modernen Welt gegen den Strich geht: toxische Maskulinität, die Versuchungen von Social Media, die Fallstricke von Konsumgesellschaft und Materialismus, und, und, und. Antworten auf die allgegenwärtigen Probleme hat Gordon (auch) nicht, hat aber dennoch keine Mühe, die nie endende Reizüberflutung und das permanente Gefühl des Unbehagens, das uns umgibt, auf den Punkt zu bringen. Intensiv, abenteuerlich, fordernd - "The Collective" ist all das!
-Carsten Wohlfeld-
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