Ihr zweites Album "Avalanche" konnte Emily Underhill a.k.a. Tusks noch vollständig vor der Pandemie realisieren. Allerdings fanden die letzten Konzerte zur Tour des Albums dann wenige Tage vor der ersten Lockdown-Phase im Frühjahr 2020 statt. Damals hatte sich Emily gerade davon erholt, dass sie sich während der Arbeiten an dem Album den Ellenbogen gebrochen hatte und präsentierte sich von einer bis dahin ungewohnt rockigen Seite. Die dann ausbrechende Pandemie machte dann möglichen Bestrebungen sich musikalisch weiter in dieser Richtung zu entwickeln, schon aus logistischen Gründen zunichte. Das wurde dann deutlich, als 2021 die im Lockdown entstandene Interims-EP "Change" erschien, auf der Emily mit Ambient-Elementen und Trip-Hop Downbeats arbeitete. Die Pandemie selbst durchlebte Emily nämlich - anders als viele ihrer KollegInnen - in einer Wohngemeinschaft mitten in London und musste somit mir ganz anderen Problemen kämpfen, als viele Leidensgenoss(inn)en.

Das nun vorliegende, dritte Tusks-Album ist nun eine Art Antwort auf diese Phase, mit der Emily die widersprüchlichen Kontraste ihrer Lebenssituation zu dieser Zeit therapeutisch von der Seele schreiben wollte. Es ging dabei darum, das Aufkeimen und Sterben einer während dieser Phase eingegangenen Beziehung und der sich anschließenden Trennung zu verarbeiten, sowie dem Widerspruch im Lockdown in der Stadt ständig von Menschen umgeben gewesen zu sein und (nachdem sie sich zum Schreiben der neuen Songs aufs ländliche Devon zurückgezogen hatte) dann plötzlich völlig allein und frei in der Natur zu leben.

Inhaltlich verarbeitete Emily das Thema Beziehungsende/Trennung/Neuanfang in Songs wie "Artificial Flame" (der die Erkenntnis thematisiert, dass die Liebe verglüht ist), "Strangers" (der das Gefühl der Entfremdung beschreibt) oder "Adore" (in dem sie über die Möglichkeit nachdenkt, sich einer neuen Beziehung zuzuwenden). Lediglich der Titeltrack "Golden" ist ein politischer Kommentar über die Verfehlungen der Verantwortungsträger in der Pandemie-Phase. Eingerahmt wird die neue Songsammlung von zwei ambientmäßigen Drones: "Wake" schrieb Emily mit einem eher positiven Mindset, während das abschließende "Cold Storm" das düstere Gegenstück mit einer zweifelnden, unsicheren Note daherkommt. Das inhaltliche Konzept war damit schlüssig dargelegt - nun ging es also darum, eine Technik zu entwickeln, die textlich dargelegten Kontraste und Widersprüche entsprechend musikalisch gespiegelt werden könnten.

Hierzu kamen Emily und ihr musikalischer Partner Tom Andrews auf die Idee, die einzelnen musikalischen Elemente mit elektronischen und organischen Effekten so weit zu bearbeiten, dass diese im Wechsel zwischen LowFi-Ästhetik und HiFi-Produktion eine ganz eigene Dynamik entwickelten, die letztlich Klang des Albums ausmachen. Markantestes Beispiel dafür sind die Drum-Parts, die zunächst straight eingespielt, dann aber oft mehrfach gesampelt, geloopt und getweakt sowie mit elektronischen Beats gekoppelt wurden, so dass nie herauszuhören ist, was das im Detail passiert. Stilistiken und Formate spielten dabei keine große Rolle. So arbeiteten Emily und Tom mit Ambient-, Trip-Hop-, Drum'n'Bass, New Wave, Darkwave und Dreampop-Vibes und scheuten auch nicht davor zurück, Teile der Songs auseinanderzunehmen und hin und herzuschieben, wie das Emily zuvor auch mit den Lyrics veranstalten hatte. Durch dieses Cut & Paste-Verfahren erscheinen auch Songs wie der poppige Titeltrack "Gold" (musikalisch sicherlich der heimliche Hit des Albums) niemals wie aus einem Guss, sondern bieten dem Hörer auf lange Zeit die Möglichkeit, immer wieder neue Details zu entdecken. Ohne Frage erschufen Tusks mit diesem Album so eine ganz eigene musikalische Genussmittelklasse, die weit über das hinausreicht, was sich unter einem bestimmten Label wie E-Pop zusammenfassen ließe.