KW 27/2024
|
Johnny Cash - Songwriter Universal
Format: CD
Die Sache mit posthumen Veröffentlichungen hat ja immer sogleich den Ruch der Leichenfledderei. Nicht so in diesem Fall - denn bei den 11 Songs des Albums "Songwriter" handelt es sich nicht um irgendwelche Outtakes, Demos oder Bootlegs, sondern um neu geschriebenes Material, das Johnny Cash 1993 ohne vertragliche Verpflichtungen einspielte, als er sich gerade zwischen zwei Label-Deals befand. Das war kurz bevor Cash dann Rick Rubin kennenlernte, der ja bekanntlich das letzte Kapitel des legendären Songwriter-Veteranen mit den "American Recordings" entscheidend prägte. Allerdings mit einem eigenen Konzept - denn Rubin ging es weniger darum, Cashs Verdienste als Songwriter zu würdigen, sondern ihn als Interpreten und Persönlichkeit in ein neues Licht zu rücken. Demzufolge ist es sehr treffend, dass das nun vorliegende Album schlicht "Songwriter" heißt, denn hierauf ist die letzte zusammenhängende Songsammlung mit ausschließlich originärem Material zu hören, die Cash zu Lebzeiten einspielte. Diese Aufnahmen wurden jetzt von Cashs Sohn John Carter Cash wiederentdeckt. Da es sich bei diesen Aufnahmen um Solo-Skizzen handelte, ließ es John Carter Cash sich nicht nehmen, das Material mit einer Reihe von Cashs Wegbegleitern wie Gitarrist Marty Stuart und dem (inzwischen ebenfalls verstorbenen) Bassisten Dave Roe sowie ausgesuchten Gästen wie Vince Gill und Dan Auerbach zusammen mit Produzent David R. Ferguson in dem legendären Cashs Cabin Studio, wo der Meister gegen Ende seiner Laufbahn lebte und arbeitete, mit neuen Arrangements auszuproduzieren.
Das hat dann nichts mehr mit der Askese eines Rick Rubin zu tun, sondern mit einer Hommage an die verschiedenen Phasen, die Cash in den 70ern, 80ern und zu Beginn der 90er durchlief. Diese wurden dann mit einigen Modernismen - wie z.B. den psychedelischen Pedal-Steel Klangwolken des Openers "Hello Out There" oder dem Synthesizer und der instrumentalen Bridge in dem ansonsten als Folksong angelegten "Drive On" angereichert (die es vermutlich in der Aufnahme Cashs gar nicht gegeben hatte). Gebraucht hätte es diese Sachen nicht unbedingt, denn das Material bietet klassisches Cash Fodder, das in klassischen 70s Arrangements wie bei den Tracks "Well Alright" oder "Poor Valley Girl" schlicht am besten aufgehoben ist. Da Rubin im Folgenden die Solo-Aspekte mit dem "American Recordings"-Album deutlich effektiver in Szene gesetzt hatte, war es sicherlich die richtige Entscheidung, das Album "Songwriter" jetzt als konventionelle Studio-Produktion im Stile Cashs anzulegen. Cash war zu der Zeit gesanglich noch gut aufgestellt und legte das Material mit dem üblichen Mix aus Folklore, Spiritualität, Humor & Selbstironie und Aufrichtigkeit an. Melancholie schwingt da auch mit, wie der abschließende Schlüsseltrack "Like A Soldier" verdeutlicht: Hier blickt Cash mit leichter Wehmut auf sein Leben zurück, vergleicht sich dabei aber mit einem Soldaten, der dank seiner positiven Disposition Krieg des Lebens zu überwinden sucht und nicht etwa vergebenen Chancen und schmerzlichen Erinnerungen nachzuhängen gedenkt. Insgesamt ist diese Projekt also eine gelungene und erneute Würdigung der unbestrittenen songwriterischen Fähigkeiten von Johnny Cash.
-Ullrich Maurer-
|