KW 38/2024
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Deadletter - Hysterical Strength So Recordings/Rough Trade
Format: LP
In Zeiten, in der jede Woche 100 neue Bands aus dem Boden zu sprießen scheinen, sind Konsensbands, wie es sie früher gab, heute ja immer seltener. Aber es gibt Ausnahmen: Dass Deadletter ganz heißer Scheiß sind, da scheinen sich derzeit ausnahmsweise mal alle einig zu sein. Auf ihrem mitreißenden Debütalbum katapultiert die ursprünglich aus Yorkshire stammende Band ihre Hörerschaft schon mit dem LP-Titel der in einem Gefühlswelt der Gegensätze hinein, aus der sie uns erst zwölf Songs und knapp 50 Minuten später wieder entlässt. Denn "Hysterical Strength" ist mehr als nur der Titel des Albums, sondern praktisch auch gleich eine Inhaltsangabe.
Kopfüber geht's hier in einen düster-intensiven Sound, mit dem Deadletter mit Köpfchen und trockenem Humor dem drohenden gesellschaftlichen Kollaps entgegentreten und so trotz eines dunklen Grundtenors das Licht am Ende des Tunnels nicht unbedingt der entgegenkommende Zug ist. "Die Welt ist brutal, aber sie ist auch verdammt schön", lautet das Credo von Sänger Zac Lawrence dann auch folgerichtig. Doch auch wenn der charismatische Frontmann Dreh- und Angelpunkt in diesen Songs ist, die von motorischen Rhythmen und kantigen Gitarren unerbittlich angetrieben werden: der heimliche Trumpf ist das unglaublich prägnante Saxofon von Poppy Richler, das im Morphine'schen Sinne immer wieder für kantige Unbehaglichkeit (und zusammen mit den oft eingesetzten Gang Vocals für eine gewisse klangliche Eigenständigkeit) sorgt. Kaum zu glauben, dass dies erst das Debüt des Sextetts ist, denn hier klingt nichts provisorisch, alles scheint mit großer Selbstverständlichkeit bis ins letzte Detail überlegt und perfektioniert - und das, ohne die kribblige nervöse Energie einzubüßen, mit der Deadletter ihr Publikum immer wieder überrollen.
Klanglich dürfen ältere Semester in dem herrlich wuchtigen Art-Punk-Cocktail Anklänge an Magazine oder Gang Of Four ausmachen oder sich an die frühen Franz Ferdinand erinnert fühlen, der jungen Generation dagegen mögen eher Black Midi oder Squid in den Sinn kommen. Große Referenzen braucht es hier aber gar nicht, um vollends begeistert zu sein. Mit "Hysterical Strenght" rufen uns Deadletter loud and proud entgegen: Wir sind gekommen, um zu blieben.
-Carsten Wohlfeld-
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