KW 44/2024
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The Cure - Songs Of A Lost World Polydor/Universal
Format: LP
Meisterwerke dauern länger: 16 Jahre sind vergangen, seit The Cure ihr letztes Album veröffentlicht haben, aber das ist schnell vergessen, wenn man auf "Songs Of A Lost World" in den See wohliger Melancholie eintaucht, die zugleich die Kehle zuschnürt und das Herz aufgehen lässt, wenn Mastermind Robert Smith in acht zumeist überlangen Songs mit seiner nach wie vor erstaunlich jung und unverbrauchten klingenden Stimme von Vergänglichkeit, schmerzhaften Abschieden und der Flüchtigkeit der Dinge singt.
Auf den ersten Blick wirkt das neue Werk gerade ob der langen Wartezeit erstaunlich unspektakulär. Verpackt in ein Schwarz-Weiß-Cover (das erste seit "Faith" vor 43 Jahren), ist es mit einer Länge von 50 Minuten das kürzeste The Cure-Album seit fast vier Jahrzehnten und die erste Platte seit "Head On The Door" aus dem Jahre 1985, die komplett auf eine Vinyl-LP passt. Die düstere Magie, die dieses neue Album verströmt, unterstreicht allerdings praktisch vom ersten Ton an, dass "Songs Of A Lost World" eine Platte ist, die einen emotionalen Tiefgang hat, den selbst Robert Smith und die Seinen als unangefochtene Großmeister dieser Disziplin in der Vergangenheit nur auf "Pornography" und "Disintegration" erreicht haben. Dies sind keine Songs, die mit einer neuen Platte im Hinterkopf geschrieben wurden, dies ist kein geschicktes Verwalten der eigenen Band-Legende, dies sind Smiths tiefempfundene Gefühle und Gedanken zum Thema Sterblichkeit, die sich hier in Songform ihren Weg an die Oberfläche bahnen - und das nicht nur, wenn er im herzergreifenden "I Can Never Say Goodbye" den Tod seines Bruders verarbeitet.
Trotz der für The Cure-Verhältnisse kurzen Spielzeit des Albums nehmen sich die neuen Lieder ihre Zeit und entfalten in schönster Doom- und Gloom-Manier langsam, aber stetig ihre ganze Magie. In oft minutenlangen Instrumentalparts sorgen Simon Gallup, Roger O'Donnell, Jason Cooper und Reeves Gabrels so dafür, dass Smiths Textzeilen zwischen Trost und Trauer in oft wuchtigen, bisweilen geradezu träge anmutenden Klängen stets ihre ideale musikalische Entsprechung finden, wenn er in "Alone" von der Einsamkeit am Ende des Lebens singt, sich in "And Nothing Is Forever" daran erinnert, dass selbst die größte Liebe den Tod nicht überwinden kann, oder beim musikalisch in diesem Zusammenhang überraschend leichten "Fragile Thing" über die Zerbrechlichkeit der Dinge sinniert, während "All I Ever Am" der Idee eines Popsongs am nächsten kommt, ohne wirklich einer zu sein. Beim fantastischen "Endsong" am Schluss blickt der inzwischen 65-jährige Smith nach einem unfassbar ergreifenden wortlosen Intro in epischer Länge auf sein Leben zurück und lässt sein Publikum nach zehneinhalb Minuten ohne Hoffnung, aber tiefbewegt zurück. Wenn es ein Abschied für immer wäre: Ein perfekteres Ende könnte sich keine Band wünschen.
-Carsten Wohlfeld-
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