KW 45/2024
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Sylvie Kreusch - Comic Trip Sony Music
Format: LP
Als die belgische Künstlerin Sylvie Kreusch ihre Musikkarriere lostrat, suchte sie zunächst mal einen für sie gangbaren Weg zwischen ihren Roots als Club-Djane, Mitglied der Band Warhaus, freischaffender Fashion-Soundtrack-Komponistin und ihren songwriterischen Ambitionen als Pop-Künstlerin. Spätestens mit ihrem Durchbruchsalbum "Montbray" von 2021 und erst recht mit dem neuen Werk "Comic Trip" hat sie sich endgültig für die Pop-Musik als ideales Medium für ihre quirligen Ideen entschieden.
Das ist dann aber kein auf Hochglanz produzierter Wegwerf-Pop im Radio-Format, sondern ein betont intelligent und empathisch zusammengestellter Mix aus Dream-, Indie-, New Wave-, E-Pop mit vielen songwriterischen, lyrischen und Produktions-Ideen. Es ist natürlich schon ein Wagnis, eine LP mit einem Killer-Song wie "Sweet Love (Coconut)" anzufangen - einer Dreampop-Hymne mit einem Refrain, der einem in klassischer Ohrwurm-Qualität nicht mehr aus dem Kopf gehen will und den man demzufolge immer wieder gerne hören mag - aber Sylvie Kreusch macht gar keine schlechte Figur darin, dieses Niveau dann auf verschiedenen Ebenen auch zu halten. Der Titel des Albums "Comic Trip" bezieht sich nicht etwa darauf, dass Sylvie sich hier als Comedienne betätigt, sondern darauf, dass sie in ihren Kindheitserinnerungen alte Comic-Hefte durchblättert und diese dann quasi in Musik übersetzt. Dabei kann dann allerlei passieren. In dem Song "Ride Away" reist Sylvie auf den Spuren des Lone Ranger durch ein Fake-Western-Wunderland, in dem dann aber auch ein jazziger Piano-Break möglich ist. In dem Instrumental "Interlude" geistert eine Ennio-Morricone-Mundharmonika durch die Gegend und in dem als Folk-Pop-Song angelegten Hippie-Song verleiht ein Mellotron dem Ganzen Dreampop-Flair. Ein Mellotron gibt es auch in dem Track "Final Hour", der indes als klassischer Torch-Song angelegt ist und "Daddy's Selling Wine In A Burning Home" kommt als verhallte Akustik-Ballade mit Marianne Faithfull-, The Verve- und Mazzy Star-Flair (und einer Pfeif-Einlage) daher. Und alles funktioniert irgendwie - egal wie widersprüchlich die ganzen unterschiedlichen Bestandteile auch sein mögen. Hinzu kommt, dass sich Sylvie als Sängerin enorm weiter entwickelt hat, und - anders als zu Beginn ihrer Laufbahn - auch anspruchsvollen Harmoniewendungen standhalten kann. Tatsächlich gelingt Sylvie Kreusch mit diesem Album dann auch so etwas wie die sprichwörtliche Scheibe für genau die Art von Insel, die sie in dem Song "Sweet Love (Coconut)" besingt. (Jedenfalls für Freunde gut gemachter, organischer Pop-Musik.)
-Ullrich Maurer-
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