Jetzt müsste man wieder mutmaßen, wieso diese Scheibe einfach auf dem Blue Rose Label erscheint. Denn eigentlich verkörpert die kürzlich verstorbene Johnny Cash Gattin und Altmeisterin der Folk-Musik ja so etwas wie das Feindbild des Rock'n'Roll Freundes. Auch auf dieser letzten offiziellen Scheibe gibt es Musik, die eher Bluegrass ist als Country, eher Folk als Western. Meist vollkommen akustisch vorgetragen, mit einigen Gastauftritten vom Ehegatten verziert und mit dem sicheren Gespür für eine stimmige Songauswahl streift June hier die ganze Palette ihres Repertoires. Von den ersten, verspielten Anfängen der Carter-Girls aus den Appalachen bis zur lässigen Eleganz der Grande Dame des Folk, die alles gesehen und erlebt hat, ist hier alles dokumentiert, was June Carter Cash in ihrem Leben so gemacht hat. Nicht ganz zu unrecht bezeichnet Tochter Roseanne in den einfühlsamen Liner-Notes dieses Werk als musikalische Autobiographie. Angereichert mit einigen eigenen Songs, kleinen akustischen Anekdoten aus ihrem Leben und einigen Kommentaren (z.B. die haarsträubende Story über Lee Marvin in der Einleitung zu "Big Yellow Peaches") singt sich June hier durch die Essenz des Carter-Erbes. Dabei ist diese Scheibe eher ein Zeitdokument als ein musikalisches Vermächtnis. Junes Art, die Songs auf dieser Scheibe zu interpretieren - mit brüchiger Stimme und dem Vermächtnis im Rücken, diese bereits tausende Male gesungen zu haben -, hat etwas skizzenhaftes, impulsives. Auf dieser Scheibe werden die Songs nicht in den ultimativen Versionen dargeboten, sondern als eine Art Bestandsaufnahme, als musikalisches Tagebuch - als Autobiographie eben. Letztlich entzieht sich diese Scheibe damit auch möglicher Kritik, macht aber deutlich, dass mit June Carter Cash eine der letzten noch lebenden Legenden der authentischen Amerikanischen Folk-Musik von uns gegangen ist.