Fünf Jahre ließen uns Built To Spill auf den Nachfolger zu "Ancient Melodies Of The Future" warten, über zwei Minuten dauert es, bis der Gesang von Mastermind Doug Martsch beim fast neunminütigen Opener "Goin' Against Your Mind" einsetzt. Doch wer denkt, dass die sich stetig drehende und windende Nummer eine Rückkehr zu Songs mit epischen Proportionen bedeutet, die vor allem das 1997er Album "Perfect From Now On" bevölkerten, sieht sich ein Stück weit getäuscht.
Zwar gibt es auch auf dem neuen Album kaum Songs unter fünf Minuten Länge, doch anders als in der Vergangenheit, als die spacigen Songs der Band in mühsamer Studioarbeit Stück für Stück aufeinander getürmt wurden, entstanden die meisten Songs auf "You In Reverse" bei ausgiebigen Jam-Sessions in Martschs Garage. Das hat zur Folge, dass die durch Gitarrist Jim Roth nun wohl permanent zum Quartett erweiterte Band (auch die langjährigen Sidemen Brett Netson und Sam Coomes haben wieder Gastauftritte) zwar einerseits mit ausufernden Instrumentalpassagen und langen, aber stets spannenden Soli aufwartet, gleichzeitig aber so lebendig und bodenständig rockig klingt, wie wir es von Built To Spill zuletzt Mitte der 90er gehört haben. Und es ist gerade diese Lebendigkeit, die aus "You In Reverse" ein ganz großes Album macht.
Dass sich viele der Songs an die Idole Martschs anzulehnen scheinen, sollte man übrigens nicht als Ideenlosigkeit auslegen. Hier wird nicht geklaut, sondern Tribut gezollt. Der eingangs erwähnten ausufernden Eröffnung folgen drei der knappsten (und besten) Popsongs, die Martsch je geschrieben hat: In "Traces" hallt Frank Black wider, das wunderbar simple "Liar" könnte problemlos auch ein Hit für The Shins sein, und das gerade einmal zweieinhalb Minuten lange "Saturday" ist vielleicht das BTS-typischste Stück, das die Band bisher aufgenommen hat (wenn es so etwas wie einen BTS-typischen Sound überhaupt gibt). "Conventional Wisdom" dagegen verbindet auf ganz und gar unkonventionelle Weise ein Dinosaur-Jr-würdiges Getöse mit einem fast kammermusikalischen Zwischenteil. Auch Neil Young - wie könnte es bei einem Album, das große Rockmomente, Jam-Parts UND gekonntes Songwriting verbindet, anders sein - macht soundtechnisch seine Aufwartung, nicht nur bei "Wherever You Go". Mit "The Wait" lassen BTS das Album dann balladesk ausklingen, aber wir sehen die Band dieses Jahr zumindest noch zweimal wieder: Einmal auf Tournee im Herbst und dann im Dezember in den oberen Regionen der End-Jahres-Charts. Ganz sicher!