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Bosse - Guten Morgen Spinner Capitol/EMI
Format: CD
Auf dem zweiten Album unter eigenem Namen übt sich der ehemalige Pop-Rocker und Hyperchild-Vorsitzende Bosse noch mehr in Sachen harter Fakten. Für die Radiolandschaft schon ganz schön spröde und laut arbeitet sich Bosse durch eine Sammlung konkreter Rock-Songs, bei denen Melodie und Schönklang zugunsten knackiger Riffs und klarer Songstrukturen zurückgestellt wurden. Dazu singt Bosse merkwürdig gegen das Versmass - was sich aber zunehmend als individuelle Note bemerkbar macht. Wenn Bosse ein Lob gebührt, dann das, dass er trotz Major-Vertrag eine vergleichsweise ruppige Scheibe wie diese hinlegte. Sicher, das ist alles recht gut und teuer produziert - die schmutzigen Ecken und Kanten hat Bosse sich aber trotzdem nicht abschmirgeln lassen. Das klingt ein wenig so wie hochglanzpolierter Straßendreck. Glaubwürdig ist der Wahlberliner also allemal. Ob sich das auch kommerziell auswerten lässt, sei dahingestellt, denn so richtig eingängig kommt das nicht daher. Was Hooklines und Riffs betrifft, so haben Kollegen wie Madsen da die zweifelsohne besseren Karten. Es gibt auch keine richtigen Balladen - lediglich ein nachdenkliches Outro - "Seemansblau" - weicht etwas von der sonst vorherrschenden Physikal-Mucke ab. Dafür gefallen Bosses umgangssprachlich gehaltene, ungekünstelte Textwelten. Obwohl: Für jemanden mit dermaßen viel musikalischer Wut im Bauch klingt Bosse zuweilen ganz schön ernüchtert. Aber das spiegelt andererseits ja auch wieder die Umstände wider, über die Bosse singt. Fazit: "Guten Morgen Spinner" ist eine ziemlich zerrissene Angelegenheit geworden - aber andererseits defintiv kein weiteres Stück beliebigen Wegwerf-Deutschpops.
-Ullrich Maurer-
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