Mit dieser zweiten CD liefert Joanna Newsom tatsächlich jenes Meisterwerk ab, das viele begeisterte Kritiker bereits auf ihrer Debüt-Scheibe entdeckt zu haben glaubten. Doch "Ys" geht gleich mehrere Schritte weiter - und ist zugleich eine Abkehr von der Song-orientierten Ansatz der ersten Scheibe. Dominierten hier noch gleichgewichtig künstlerischer Übermut und eine besonders schräge Note in der Umsetzung, so sortierte sich die einzige alternative Harfenspielerin von Rang für dieses Epos neu. Zu hören sind hier nur Joanna und ihre Harfe - sowie phantasievolle, kongeniale Orchester-Arrangements von Altmeister Van Dyke Parks, der selber auch ein wenig Akkordeon beisteuerte. Aufgenommen wurde von Steve Albini, abgemischt von Jim O'Rourke und es gibt einen Gastauftritt von Bill Callahan.
Damit hat man die klassischste durchgängige Produktionslinie links von der Mitte beisammen, die nur denkbar ist: Jeder ein Meister seines Fachs und alle gewillt, sich dem jeweiligen Flow unterzuordnen. Kein Wunder, dass diese Scheibe wie aus einem Guss erscheint! Es gibt nur fünf Stücke, die aber zuweilen bis zu einer Viertelstunde lang sind - und keine Sekunde lang vorhersehbar oder langweilig. Das liegt daran, dass zunächst Harfe und Gesang aufgenommen wurden - inklusive Improvisationen und aller denkbaren Tempo- und Stimmungswechsel. Erst dann erarbeitete Van Dyke in acht Monaten die Arrangements, die diesen Vorgaben in einem langwierigen kreativen Prozess minutiös angepasst wurden. Das Ergebnis sind bemerkenswert lebendige und leichtfüßige Epen, die so gar nichts von der starren Komplexität klassischer Werke haben. Musikalisch orientiert sich Joanna dieses Mal an alter - mittelalterlicher - Musik und kreierte so ihre eigene Vision erzählorientierter Folklore - freilich außerhalb des üblichen Songschemas. Das ist eigentlich eine Scheibe, wie man sie nur ein Mal im Leben hinbekommt. Mal sehen, was da noch von Joanna Newsom kommen wird...