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Niels Frevert - Pseudopoesie

Niels Frevert - Pseudopoesie
Grönland/Rough Trade
Format: LP

In jedem guten Scherz steckt ein Fünkchen Wahrheit, so heißt es. Auf das neue Niels-Frevert-Album übertragen bedeutet das: Natürlich ist der Titel "Pseudopoesie" augenzwinkernd gemeint, doch wenn man genau hinhört, dann merkt man recht schnell, dass die Texte des inzwischen siebten Soloalbums von Deutschlands bestem Singer/Songwriter eine andere Qualität haben als noch auf seinem heimlichen Meisterwerk "Putzlicht" aus dem Jahre 2019, oder zumindest doch aus einem anderen Antrieb heraus entstanden zu sein scheinen.

"Putzlicht" war spürbar eine Herzensangelegenheit für das inzwischen 55 Jahre alte Hamburger Ausnahmetalent, ein Album, das vollgestopft war mit Songs, bei denen man sofort das Gefühl hatte, das Frevert sie schreiben musste, weil ihm etwas auf der Seele brannte. Die Lieder auf "Pseudopoesie" dagegen, so darf man sich zumindest einbilden, tauschen das Müssen gegen ein Wollen ein. Denn auch wenn in diesen zehn Liedern immer noch jede Menge memorable Zeilen stecken und sich genau die verblüffende, oft wunderbar abstrakte Wortakrobatik findet, die Frevert schon immer einzigartig machte - man höre nur "Kristallpalast"! -, wirkt seine Poesie dieses Mal selbst in der Ich-Perspektive distanzierter und damit stärker wie das Werk eines großen Pop-Songwriters denn das einer geschundenen Seele. Während Frevert auf "Putzlicht" in Liedern wie "Immer noch die Musik" Antworten auf seine grüblerischen Fragen fand und allein der herrliche Sound der Blechbläser für eine umarmende, tröstende Wirkung sorgte, widmet er sich nun - betont autobiografisch anmutenden Nummern wie "Fremd In dieser Welt" und "Ende 17" zum Trotz - lieber hochverdichteten, aber am Ende doch flüchtigen Momentaufnahmen, die in selten mehr als drei Minuten an den Hörerinnen und Hörern vorbeiziehen und dabei das Fazit gerne dem Publikum überlassen.

Eine Kritik an den Texten ist das allerdings nicht. Vielmehr ergibt dieser leise Schlenker auf "Pseudopoesie" eine Menge Sinn, denn während sich Frevert vor vier Jahren noch köstlich darüber amüsieren konnte, dass wir ihm in unserer "Putzlicht"-Rezension einen ungenierten Flirt mit dem Mainstream angedichtet hatten, unterstreicht dieses Mal gleich der unwiderstehliche Drive der fabelhaften Eröffnungsnummer "Weite Landschaft", dass Frevert keine Berührungsängste kennt, wenn es darum geht, den schon auf dem Vorgängeralbum beschrittenen Weg abseits von Indie-Flair und Liedermacher-Tugenden unbeirrt weiterzuverfolgen und seine Lieder trotz viel unterschwelliger Melancholie, die auch weiterhin (s)ein Markenzeichen bleibt, auf zeitgemäßes Pop-Terrain zu bugsieren. Eigespielt mit der Live-Band, die sein letztes Album so brillant auf der Bühne interpretiert hatte, und dem zuvor für Überflieger wie Faber, Provinz, Tristan Brusch oder Betterov tätigen Produzenten Tim Tautorat an seiner Seite, streckt Niels Frevert hier die Hand nach genau dem Publikum aus, das er schon seit vielen Jahren verdient hat, ohne dabei den Eindruck zu erwecken, sich dafür verbiegen zu müssen. Genau so muss konsequente Weiterentwicklung klingen!


-Carsten Wohlfeld-



 
 
 

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