Wenn man heutzutage mit einer deutschsprachigen Männerschmerz-Scheibe im weitestgehend akustischen Folkie-Setting noch andere Menschen ansprechen möchte als solche, die genauso aussehen wie man selbst, muss Mann sich schon etwas einfallen lassen kann. Im Falle von Philip Bradatsch ist das zum Beispiel so, dass er sich bewusst Old-School-mäßig von der musikalischen Beliebigkeit angesagter und jüngerer Songpoeten aus dem Pop-Sektor fernhält und dass er sich textlich eine überaus elegante, poetische Alltagssprache zurecht gelegt hat, mit er er auch universellere Themen als etwa kleinbürgerliche Bedürfnis-Defizite anspricht. Die große Liebe zum Beispiel, Existenzängste, Carson McCullers, den Fluss des Lebens und solche Sachen eben. Vor allen Dingen jammert er nicht (nicht ein mal dann, wenn er mit "Tausend tote Pfeilen" im Korpus auf "Knien durch das Jammertal" des Lebens geht), sondern geht mit poetischer Grandezza sogar in seinem Schmerz auf. Als geübter Stoiker stellt er des Weiteren gerne philosophische Fragen - ohne besonderen Wert auf schlüssige Antworten zu legen. Das nimmt dann teilweise schon biblische Ausmaße an.

Musikalisch zehrt Bradatsch als Solo-Künstler davon, dass mit seinen anderen Projekten wie den Dinosaur Truckers, den Cola Rum Boys oder den Kollaborationen mit Don Marco & die kleine Freiheit und dem Bluegrass-Fiddler Gabe McCaslin die Feinheiten US-amerikanisch geprägten Songwritings studiert hat - ohne dabei den Anspruch zu entwickeln eine deutschsprachige Americana-Scheibe auflegen zu wollen. "Philip Bradatsch" ist das dritte deutschsprachige Album des Kaufbeurers - aber das erste, das ohne eigenen Titel auskommt. Vermutlich lernt man also erst hier den einzig wahren Bradatsch kennen.