Gaesteliste.de Internet-Musikmagazin



SUCHE:

 
 
Gaesteliste.de Facebook Gaesteliste.de Instagram RSS-Feeds
 
Tonträger-Archiv

Stichwort:
Platten der Woche anzeigen




 
Tonträger-Review
 
Compilation - Lords Of Chaos

Compilation - Lords Of Chaos
Prophecy/Soul Food
Format: 2CD/Buch

Ganz und gar nicht chaotisch, sondern in einem der ambitionierteren Projekte des Musikbizz zeichnet das Zeltinger Label Prophecy mit "Lords Of Chaos" musikalische Praxis (durch eine Doppel-CD-Compilation) sowie Theorie und Historie (via eines 400-seitigen Readers, überarbeitete und übersetzte Lizenzversion der US-Ausgabe vom Feral-Verlag) satanisch inspirierter Musik durch die Jahrhunderte nach. Hoch gezielt (oder - wenn man so will, ganz, ganz tief) und dennoch alle Ziele erreicht! Soviel zum Verständnis vorab - den Machern des Werkes ging es, wie sie glaubwürdig versichern, nie um eine Verherrlichung der Aussagen und Taten rund um die Musik der Satansjünger und Kirchenverbrenner, sondern um eine zuverlässige, unverfälschte Dokumentation. Dies darf als gelungen angesehen werden.

ZUR MUSIK:
Die Doppel-CD "Lords Of Chaos" spannt den Bogen der "okkulten Musik" vom berühmt berüchtigten englischen Magier Aleister Crowley (verehrt etwa von Led Zeppelins Jimmy Page, besungen von Ozzy Osbourne), hier vertreten mit einem O-Ton. Auf der nächsten Station unserer faszinierend-gruseligen Reise treffen wir die Blueslegende Robert Johnson. Der Film "Crossroads" hatte ja schon vor einem breiten Publikum dargelegt, wie der Legende zufolge der musikhistorisch enorm einflussreiche Johnson seine Talente erst aufgrund eines Seelenhandels mit dem Gottseibeiuns erwarb. An weiteren dunklen Zelebritäten begegnen wir Venom (die dem Genre "Black Metal" den Namen gaben, wenn nicht mehr), Black Sabbath, Mercyful Fate, den deutschen Sodom, Hellhammer, Bathory, Unleashed, den zentralen norwegischen Gestalten von Mayhem, Darkthrone, Emperor, den genialen Ulver sowie weitere apokryphe und obskure Vertreter der Szene einschließlich einer zutiefst kranken Aufnahme von Mick Jagger.

Die Macher des grundsolide gemachten, mit einer knapp 30-seitigen Pracht von Booklet versehenen Samplers lassen die "Satanic Majesties" des Rocks mit ihren in diesem Kontext jeweils relevantesten oder notorischsten Kompositionen zu Wort und Ton kommen, wobei aber auch einige rare oder bislang unveröffentlichte Tracks vertreten sind. Hervorzuheben ist in dem düsteren Kaleidoskop sicherlich die bösartige Ambient-Beschwörung "In The Temple Of The Moon" von Bobby Beausoleil, Teile einer satanischen Liturgie, gelesen von Anton Szandor Lavey, Begründer der "Church Of Satan", der beispielsweise Roman Polanski, Sammy Davis Jr. (!), Marilyn Manson, Glenn Danzig und King Diamond angehören oder angehört haben.

ZUM BUCH:
"Lords Of Chaos - Satanischer Metal - Der blutige Aufstieg aus dem Untergrund" beruht auf der US-Ausgabe von '98 der Autoren Michael Moynihan and Didrik Söderlind. Für die vorliegende Ausgabe wurden jedoch beispielsweise die Passagen, die sich auf Black Metal in Deutschland beziehen, entscheidend erweitert und überarbeitet. Die Autoren gehen von der Beobachtung aus, dass Rock'n'Roll mehrfach in seiner Geschichte revolutionäre Züge annimmt, dass aber seine Ausprägung als satanische Musik einzigartig in Gewaltbereitschaft und Zerstörungspotenzial ist und insofern eine gesonderte Untersuchung verdient. Aus ersten historischen Ansätzen entwickeln die Autoren eingangs die Szenerie in England und Skandinavien, vor allem Norwegen, vor der sich Black Metal entwickeln konnte, entwickeln zu einer musikalischen Untergrundströmung, die eine eigene, bis heute wirkmächtige und teils auf Major Labels (vgl. Cradle Of Filth) vermarktete Ästhetik schuf, aber auch eine Jugendbewegung, deren Mitglieder Menschen ermordeten, Kirchen verbrannten, Gräber schändeten etc. Es gelingt den Autoren durch zahllose Interviews, Psychogramme der prominentesten Täter wie Varg Vikernes (alias Count Grishnackh, Kirchenbrandstifter und Mörder des Mayhem-Gitarristen und Szene-Pols Euronymous) sowie ein Verständnis der Enstehungsbedingungen ihrer Taten entstehen zu lassen. Differenziert werden auch die teilweise (aber durchaus nicht immer) gegebenen Verflechtungen zwischen Black Metal und Nationalsozialismus herausgearbeitet. Die Brechungen, die dort entstehen, wo sich erzkapitalistisches Musikmarketing und Black Metal umarmen, wie im Falle der Erfolgsband Dimmu Borgir etwa sehr erfolgreich, spart das Buch ebensowenig aus, wie die teils unheilige Rolle der Musikmedien (z.B. des britischen "Kerrang!") beim Siegeszug des Black Metal. Verdienstvoll auch die Aufarbeitung der jeweiligen Black Metal-Szenen nach Ländern geordnet ab S. 319. Die Studie kulminiert in der zustimmungsfähigen Beobachtung, dass das Feuer des Black Metal derzeit weggeschlossen, aber durchaus noch vorhanden scheint.

PS: Kann man dieses Buch gelesen haben und danach (einzelne) Black Metal-Bands aus künstlerischen Beweggründen immer noch wertschätzen? Rezensent glaubt, das bejahen zu können - um so mehr, da es sich als gut erweisen könnte, so viel wie möglich über Strukturen, Theorie und Verführungen dieser sehr speziellen Szene zu wissen. Der überaus empfehlenswerte Band gehört somit in die Hände jedes (lesehungrigen) Black und Death Metal-Fans sowie derer von wissenshungrigen Sozialarbeitern und Priestern...



-Klaus Reckert-



 
 
 

Copyright © 1999 - 2024 Gaesteliste.de

 powered by
Expeedo Ecommerce Dienstleister

Expeedo Ecommerce Dienstleister