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21.10.2005
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WALKING CONCERT

Der Nice Guy des Rock N Rolls

Walking Concert
Hamburg im September, Tatort Weltbühne. Walter Schreifels ist gerade auf Deutschland-Tour und spielt seine größten Hits. Nummern von den Gorilla Biscuits, von Quicksand, den Rival Schools und auch von Walking Concert. So heißt sein neues Projekt und für dieses macht er nebenbei gleich etwas Promo. Und das macht er, es war nicht anders zu erwarten, einfach nett. "Walter ist ein extrem entspannter Kerl, der sich sehr für andere interessiert und mit dem es sich gut aushalten lässt", erzählen die Jungs von Devil Duck Records, der neuen Label-Heimat Schreifels. Und stehen mit dieser Meinung nicht alleine da. Schließlich behauptet das jeder, Negatives über die Hardcore-Größe liest man selten.

"Ich bin ja auch ein wirklich netter Kerl", lacht Walter im Gespräch mit Gaesteliste.de. Er sitzt zwischen vielen Stühlen und Gerümpel in einem kleinen Kabuff, das als Backstageraum genutzt wird. Er isst eine Banae, trägt ein kaputtes Shirt und sieht überraschend jung aus. Dafür, dass er schon seit so vielen Jahren dabei ist. Was aber ist er für ein Kerl? Wie würde er sich selbst charakterisieren? "Ich sehe die Dinge meist entspannt und gehe sehr interessiert durchs Leben, will wissen, was andere zu sagen haben, was passiert und wie gewisse Dinge klingen und schmecken. Das finden manche vielleicht sympathisch, einfach weil ich ihnen zuhöre und Aufmerksamkeit schenke. Sicher mag ich nicht jeden, aber auch denen höre ich zu, weil sie vielleicht was wichtiges sagen oder ich daraus etwas lernen kann. Ich bin also eigentlich ein ganz normaler Typ, ich finde es toll, mit meiner Freundin nach Europa zu kommen, finde es aber genauso schön zu Hause in New York zu sein. Ich mag Yoga, Joggen, Sushi und Bier und genieße einfach neue Erfahrungen." Das war ja klar, sogar Walter selbst sieht sich als der Nice Guy des Rock N Rolls. Und wenn Walter dann doch mal sauer ist, verarbeitet er diese Emotionen in seinen Bands. "Ich schreibe dann einen Song oder mache eine Platte und sage auf diesem Wege 'Fuck that!' und lasse so meinen Agressionen freien Lauf. Der aggressivste Kram, den ich bisher gemacht habe, ist sicherlich Quicksand, aber auch in Walking Concert gibt es diese Aggressionen. Aber natürlich empfinde ich auch negative Emotionen wie Wut oder Trauer, aber ich versuche sie im Leben in eine positive Richtung zu verschieben. Denn wenn du angepisst ist, kostet dich das Kraft und Energie und ich sehe nicht ein, warum ich die für solch unschöne Dinge verschwenden soll."

So einen Boss wünscht man sich, so einen Boss haben Ryan Stratton, Jeffery E. Johnson und Drew Thomas, die Walking Concert-Musiker. "Natürlich sage ich den Jungs, wie ich mir die Sachen vorstellen, aber ich habe gelernt, dass die Leute am besten spielen, wenn man ihnen genügend Freiheiten gibt. Sie müssen sich wohl fühlen und sich ausleben können, nur dann sind sie richtig gut. Aber ich sage ihnen schon, wenn mir etwas nicht gefällt oder mache Vorschläge, wie sie ihre Sache noch besser machen können." Das gilt im übrigen auch für das Songwriting. Denn auch wenn alle Welt glaubt, Walter ist Walking Concert und die Musiker erledigen nur ihren Job, sind die drei erheblch wichtiger und schreiben auch Songs für die Band. "Es ist immer cool, wenn einer kommt und einen tollen Song geschrieben hat", erzählt Walter. "Jeff hat zum Beispiel das großartige 'Hands Up!' geschrieben und wir haben der Nummer dann gemeinsam den letzten Schliff verpasst. Mein Ego ist jetzt nicht so groß, dass ich nur meine Songs auf das Album lasse." Der Großteil der Nummern von "Run To Be Born" stammt aber dann natürlich doch aus Walters Feder und ist - es verwundert nicht - absolut gelungen. Auch wenn er anfangs von Aggressionen sprach, die Songs sind entspannt und überraschen mit einem Singer / Songwriter-Charme, ohne nur einmal ins Tränige oder Kitschige abzuschweifen. Mit Ausnahme der Stimme haben sie nur noch wenig mit Quicksand oder den Rival Schools gemein. Und schon gar nicht mit den Hardcore-Klängen der Gorilla Biscuits, mit denen Walter als 16-Jähriger spielte. Ob er damals Walking Concert gemocht hätte? "Als ich 16 war, habe mich natürlich andere Dinge als heute interessiert, aber ich denke schon, dass ich es gemocht hätte. Denn die Gefühle, die ich heute beim Musikmachen empfinde, sind denen sehr ähnlich, die ich damals hatte. Es geht um Spaß, Melodien und eine gewisse Melancholie. Ich mag eben The Buzzcocks, The Smiths oder Minor Threat und war auch damals ziemlich offen für andere Klänge." Walter hat in all den Jahren das das Rocken nicht verlernt, nimmt heute aber auch gerne mal das Tempo und die harten Gitarren heraus, ruhige Nummern wie "Aluminium" oder der Titeltrack wechseln sich mit flotteren Nummern wie "But You Know... It's True" oder "Studio Space" ab. Das hat Hand und Fuß und das macht Spaß zu hören. Wo? "Im Auto", sagt er. "Ich hoffe, dass die Leute zu meiner Musik tanzen, möchte aber auch ihren Intellekt und ihre Gefühle ansprechen. Ich bilde mir nämlich ein, dass meine Songs etwas tiefer als zum Beispiel die von Sean Paul sind. Es wäre toll, wenn sie zu den Songs eine Beziehung aufbauen und dabei müssen sie gar nicht das empfinden, was ich mir vorstelle. Ein Typ in Deutschland, den ich niemals treffen werde, kann völlig anders reagieren, als ich es erwarten würde. Das ist dann keine Missinterpretation, sondern einfach verrückt und gleichzeitig verdammt cool."

Walking Concert
Walking Concert erscheinen in Deutschland auf dem jungen Hamburger Label Devil Duck Records, das unter anderem auch Emmerhof & The Melancholy Babies, Cosmic Casino und Magnapop unter Vertrag hat. "Die Jungs haben sich sehr um mich bemüht und ich habe meine Freunde in Deutschland nach ihnen gefragt und alle haben mir gesagt, dass es ehrliche Leute sind, die sehr hart arbeiten. Außerdem scheinen sie einen guten Geschmack zu haben, was ich für sehr wichtig halte. Sie sind mit Leidenschaft dabei und das ist mir sehr, sehr wichtig." Natürlich geht es auch hier um Geld, und daher will Walter auch "Platten verkaufen und live spielen, damit die Leute meine Musik hören und eine gute Zeit haben. Ich will, dass sie mein nächstes Album kaufen und meine vorherige. Ich will einfach so erfolgreich wie möglich sein." Dieses Ziel wird er zunächst weiter mit Walking Concert in Angriff nehmen, mit denen er ein zweites Album aufnehmen möchte. "Wir haben bereits zehn neue Songs und wenn ich wieder zu Hause bin, werden wir mit der Arbeit beginnen."

Weitere Infos:
www.walkingconcert.com
devilduckrecords.de/phpwcms/index.php?wc_de
Interview: -Mathias Frank-
Fotos: -Pressefreigaben-
Walking Concert
Aktueller Tonträger:
Run To Be Born
(DevilDuck/Soulfood)
 

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