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16.05.1999
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BIS

Eine Sache mit Bis

Bis
In einer Zeit, wo die Popmusik generell zu einer generischen, beliebigen Soße ohne Nähr- und Wiedererkennungswert zu verkommen droht, ist es schön, daß es sendungsbewußte, energische junge Menschen gibt, die sich die Rettung derselben auf die Fahnen geschrieben haben. BIS aus Schottland sind solche. Seit wir sie zum ersten Mal getroffen haben, sind sie in jeder Beziehung gereifter geworden. Mit der Verantwortung des Alters kommt die Einsicht, daß Fun alleine nicht Lebenszweck sein kann. "Das ist dann das Venga-Boys-Syndrom, wo alle nur rumhüpfen und Spaß haben", meint John(y Disco) hierzu, "damit wir uns nicht falsch verstehen: Wir lieben alle Tanzmusik, und wir wollen keine Botschaften predigen, aber dennoch bevorzugen wir es, Inhalte zu vermitteln. Das ist es ja auch, was wir selbst an Popmusik mögen."

Das geht dann vom Inhaltlichen - wo in den Texten der Band ziemlich interessante Themen verbalisiert werden - vom Rassismus über Vorurteile im Rockbiz bis hin zur Geschlechterkampf-Thematik - bis hin zur Präsentation. In einem Song lassen sich die Glasgower über die Unpersönlichkeit der Disco Musik aus. "Na ja, ein DJ ist eben keine Persönlichkeit", erklärt John, "als Vergleich haben wir da Madonna herangezogen. Da kannst Du sagen, was Du willst, aber eine Persönlichkeit ist das allemal."


Neben dem ganzen inhaltlichen Unterbau hat sich auch musikalisch einiges getan. Neben den üblichen hochenergetischen Drum-Patterns gibt's jetzt solche Sachen wie gesampelte Loops, Baß und - Streicher. "Nun ja, wir hatten diesen Track und irgendwie klang der auf den Keyboards nicht besonders gut. Da kamen wir dann auf die Idee es mit richtigen Streichern zu machen. Wir haben diese dann gedoppelt und somit mehr draus gemacht. Das war schon ein ziemlich gewagtes Experiment und wir haben uns mehrmals gefragt, ob wir denn da das Richtige tun, aber ich denke, es ist ganz O.K." Wenn man sich das ausufernde Instrumentarium der Band anschaut (keine Angst: Das Megafon ist nach wie vor integraler Bestandteil), fragt man sich unweigerlich, ob man denn ein Technokrat sein muß, um solche Musik - rein vom technischen her - überhaupt noch bewältigen zu können. "Mag sein", gibt John zu, "aber wir sind alle mit Musik dieser Art aufgewachsen - Keyboards, Computersounds, Drumcomputer etc. Das möchten wir in unserer Musik nicht missen. Deswegen brauchen wir halt die vielen Gadgets."


Nun muß man aber auch zugestehen, daß sich dies bei der Live-Präsentation der Band in Grenzen hält. Mittlerweile und nach viel Rumgefrickel kommt das Trio jetzt mit einem anstatt drei Drumcomputern aus - was die Steuerung der Show enorm vereinfacht und der Rest ist eh Gitarrenarbeit und Energie, Energie, Energie (die paar Keyboardtupfer von Manda könnte man auch getrost weglassen). Das ist auch der Grund, warum BIS alles andere als steril oder eben programmiert klingen. Bei der vorgelegten Verve denkt man keine Sekunde darüber nach, wie die Sounds oder Songs entstehen. Außerdem haben sie auch auf dem Sektor des Songwritings zugelegt. Zugegebenermaßen mit Hilfe des Produzenten, der sie z.B. darauf aufmerksam machte, daß "Eurodisco" ursprünglich keinen Refrain hatte. "Es ist wichtig, sich weiterzuentwickeln und gerade auf dem Gesangssektor haben wir viel zugelegt". Das stimmt: Wo früher nur gepiepst, gekreischt oder geschrien wurde, schleichen sich jetzt vielschichtige, ja komplexe Gesangsarrangements ein, die u.a. dazu beitragen, daß die Stücke nicht mehr ganz so nervös und hektisch daherkommen wie früher. (Nochmal keine Angst: Richtige Balladen gibt's nach wie vor nicht).

Bis
Was hat eigentlich der Name der Scheibe zu bedeuten? "'Social dancing' hat bei uns in Schottland eine lange Kultur", beschreibt es Stephen, "das sind diese steifen Veranstaltungen, bei denen sich Jungs und Mädels unter Aufsicht gegenüberstehen und den gesellschaftlichen Umgang per Tanztee beigebracht kriegen. Wir fanden das sei ein guter Titel für unser Album, auch wenn Du es im übetragenen Sinn für unsere heutige Zeit siehst." Eine weitere Entwicklung zeigt sich beim Cover, welches Manda mit ihrem Schwesterlein entworfen hat. Da offenbart sich ein gewisses Geschick, was sich sicherlich in Zukunft noch stärker auszahlen wird. Was aber ganz wichtig ist bei aller Weiterentwicklung und allem schwerwiegenden Hintergrundsthemen: BIS sind zunächst und vor allem mal eine hochsympathische und ansteckend energische Popband mit einer z.Z. wirklich einzigartigen, eigenständigen Mischung.


Das zeigte sich auch bei der anschließenden Show im Kölner MTC, wo mittels Agitation von der Bühne beinahe Popkomm-Zustände hergestellt wurden. "So you are good dancers after all", lobte Manda schließlich das Publikum. Was vielleicht ein wenig übertrieben war, aber eindrucksvoll demonstrierte, daß das Konzept an diesem Abend wunderbar funktioniert hatte.

Ein Gruß per MP3-Datei von Bis (82KB, gezipped)

Weitere Infos:
www.bisnation.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Bis
Aktueller Tonträger:
Social Dancing
(Wiiija Records/Pias)
 

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