04.08.2006 http://www.gaesteliste.de/texte/show.html?_nr=1106 |
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KANTE |
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Entschlackung und Befreiung |
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Kante aus Hamburg stand immer schon für hohe Kunst- und Kopfmusik, wie sie aber cleverer nicht sein könnte. Diese entwickelte sich von "Zwischen den Orten" über "Zweilicht" stetig weiter und gipfelte zuletzt im 2004er Album "Zombi". Bei Kante wird sehr bewusst und sehr intensiv auf die kleinen Details geachtet, alles ist wohl überlegt und zielt auf das bestmögliche Ergebnis ab. Dass ein solches Vorgehen natürlich auf Dauer Kräfte kostet, bekam die Band auch selbst zu spüren und bevor sie sich wieder ein neues Album wagen konnte, musste eine Pause eingelegt werden. Die Ruhezeit ist nun vorbei und mit "Die Tiere sind unruhig" liegt ein Album vor, das selbstredend Kante-typisch klingt, diesmal aber entspannter als je zuvor. Gaesteliste.de fragte bei Peter Thiessen nach.
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"Als die letzte Platte, 'Zombi', rauskam, waren wir immer noch alle total jenseits unserer Kräfte, weil es so anstrengend war", erinnert sich Thiessen. "Da hatten wir auch bis zur allerletzten Sekunde gearbeitet und auch den Termin immer wieder geschoben. Als die Platte dann fertig war, waren alle total froh, doch dann ging es gleich los mit Promotion und wir waren ziemlich alle. Jetzt ist es vielmehr so, dass alles für unsere Verhältnisse sehr schnell passiert ist und es ein Riesenspaß war. Dadurch, dass wir so schnell gearbeitet haben, hatten wir jetzt auch noch ein bisschen Luft, bis das alles [mit Promo und Konzerten] losging." Nicht nur die Aufnahmen sind schnell verlaufen, es ging der Band auch vor allem darum, ihren Live-Sound so gut wie möglich einzufangen. Hat es das Bestreben gegeben, am besten alles sofort beim ersten Versuch zu belassen? "Das Instrumentalstück 'Ducks And Daws' ist tatsächlich first take. Wir haben das zwar dann noch oft gespielt, weil wir dachten, die Band spielt zu ungestüm und ein wenig aneinander vorbei, aber letzten Endes blieb es bei der ersten Version", meint Thiessen. Eine Herangehensweise, die auch dem Produzenten Moses Schneider sehr entgegen kam. Man könnte ja meinen, dass eine Band, die bereits mehrere Alben erfolgreich aufgenommen hat, eher dazu neigen könnte, eine weitere Platte ohne Produzenten in Angriff nehmen zu wollen. "Ich weiß nicht, aber es ist vielleicht eher so, dass man am Anfang, wenn man als Band startet, denkt, dass man alles alleine machen kann und man will da auch keinen reinreden lassen, aber irgendwann merkt man, dass es auch ganz gut ist, einen Blick von außen drauf zu haben. Auch wenn eine Band schon älter ist und schon durch konkliktbeladene Situationen durchgegangen ist, kann das extrem hilfreich sein, wenn man jemanden hat, der dann, wenn man anfängt über sinnlose Sachen zu diskutieren, einfach mal dazwischen geht und sagt 'Hey, Jungs, das ist doch alles nicht wichtig - spielt' mal lieber!' Genau so jemand ist Moses. 'Zombi' haben wir extrem eng mit Tobias Levin, der die Platte dann auch produziert hat, zusammen entwickelt - Tobias war sehr in Arrangements, Songstrukturen und Klänge reingegangen, was wir auch wollten und es wurde eine tolle Erfahrung und ein wahnsinniges Ergebnis. Diesmal war es aber wichtiger, dass wir dies alles als Band gemeinsam erarbeiten. Moses' Rolle bestand darin, dass wir ihm im Prinzip fertige Songs präsentiert haben, und er hat sie sich angehört und z.B. vorgeschlagen, die ein oder andere Stelle anders zu machen oder uns gefragt, ob wir da und da wirklich noch diesen Shaker oder die Bongos haben müssten. Moses hatte also eher die Funktion, die Sachen nochmal etwas zu entschlacken, auch ein bisschen spielbarer für die Band zu machen."
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"Die Tiere sind unruhig" spiegelt diese spielerische Leichtigkeit sehr gut wider - die Platte ist stimmig, organischer und entspannter als die Vorgänger. Thiessen hat einen möglichen Grund dafür parat: "Man hat dann auch irgendwann so einen Erfahrungsschatz, und man weiß eben auch besser, was man als Band konkret in dieser Besetzung gut spielen kann, das allen Spaß bringt. Früher war es öfters mal so, dass wir uns so ein bisschen überfordert haben - dann musste da irgendwie so ein totaler Pop-Knaller her, dann sollte aber auch so ein südamerikanisches oder ein Jazz-Stück drauf sein. Das ist zwar jetzt auch noch so, aber da drauf konnten wir diesmal viel selbstverständlicher zurückgreifen. Früher mussten wir uns das alles auch noch erst im Studio erarbeiten, was teilweise sehr müßig war." Nur sieben lange Songs, dennoch keine Jam-Platte, wie man auf den ersten Blick vielleicht denken könnte, sondern eine, bei der Peter Thiessen schon vorab die Songs weiter ausgearbeitet hatte als je zuvor. "Das ist ein paradoxer Prozess", gibt er zu. "Früher war es oft so, dass ich mit sehr vagen Ideen und kleinen Fetzen in den Proberaum kam, zu denen ich ganz wilde Sachen im Kopf hatte, die daraus werden könnten. Dann haben wir daran rumprobiert und es hat teilweise total lange gedauert, bis daraus etwas wurde, weil sich die anderen unter den Bruchstücken, die ich mitgebracht hatte, nichts vorstellen konnten. Es war dann eher so, dass ich von den anderen wollte, dass sie mehr eigene Ideen entwickeln und man gemeinsam am Songwriting arbeitet. Das hat uns letzten Endes eher zermürbt. Das wollten wir dieses Mal unbedingt vermeiden, wir wollten in erster Linie erreichen, dass es Bock bringt, in der Band zu spielen." Nach diesem Stress hat es erstmal eine Auszeit und die Frage, wie es weitergehen sollte, gegeben. "Mein Vorschlag war, dass ich mich jetzt mal alleine hinsetze, mich ein paar Monate zurückziehe und Songs schreibe. Damit waren alle einverstanden, aber es war dann doch noch relativ offen, wie das alles weitergehen würde. Dann haben wir uns aber mal irgendwann im Berliner Proberaum getroffen und einfach drauflos gespielt - ich hatte ja schon einige Songs geschrieben, und zwei Songs haben wir dann extrem weit vorangebracht, und es war dann auch wirklich wieder der alte Spaß da, mehr Spaß als je zuvor. So ging das eigentlich dann weiter - eine Woche Probe, dann mal zwei Wochen Auszeit, eine Woche Probe etc. Ich denke, dadurch, dass ich einen klareren Rahmen gesetzt habe, wussten die anderen auch leichter, wie das alles dann werden sollte." Der Wechsel nach Berlin war zwar keine direkte Flucht aus Hamburg, aber schon eine bewusste Entscheidung. "Wir kennen zwar alle Berlin, aber trotzdem hatte man das Gefühl, etwas Neues zu erleben - vielleicht auch deswegen, weil man sich ein wenig unbeobachteter fühlte. In Hamburg ist es manchmal schon etwas eng, da hat man das Gefühl, dass einem ständig jemand über die Schulter guckt. Das war für uns in Berlin nicht so, wir haben viele neue Leute kennengelernt, das schon extrem befreiend für uns." Das Ergebnis kann sich auf jeden Fall hören lassen.
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Interview: -Martin Nowak-
Fotos: -Pressefreigaben- |
Aktueller Tonträger: Die Tiere sind unruhig (Labels/EMI) |
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